D. Personalplanung
Der besprochene Text der vorläufigen Personalplanungsvorlage für die Landessynode 2012 ist zu finden über die Titelseite www.ekir.de ganz unten: ekir.de/personalplanung / Vorläufige Beratungsvorlage
Die aktuelle Beratungsvorlage vom 21.Oktober 2011 unterscheidet sich kaum von der Vorlage für die Synode 2011: Die Presbyterien sollen die Personalsteuerung sowohl für Pfarrstellen als auch für Mitarbeiterstellen an den Kirchenkreis abgeben. Die Presbyterien werden an einer entscheidenden Stelle für die Gemeindearbeit entmachtet. (siehe Rundschreiben Nr 19)
Bis jetzt (10.11.2011) haben mindestens neun Kreissynoden, und damit ein Viertel der Kirchenkreise der EKiR die Forderung nach einem Proponendum beschlossen und eine ausführliche Beratung in den beiden kommenden Jahren gefordert: Aachen, Bad Godesberg-Voreifel, Essen, Jülich, Koblenz, Köln- rechtsrheinisch, Köln-Süd, Niederberg, Simmern-Trarbach
1.) Kritische Anmerkungen zur Gesamttendenz der Vorlage „Personalplanung“
1.1.) Den entscheidenden Schwachpunkt dieser Vorlage kann man erahnen, wenn man auf Seite 40 die Teilnehmerliste des Ausschusses liest, der diese Vorlage entworfen hat: Drei Superintendenten und Assessoren, vier Dezernenten aus dem LKA, fünf Interessenvertreter betroffener Mitarbeitergruppen und ein Finanzprofessor.
Das bedeutet:
Kein einziger normaler Presbyter / keine Presbyterin und kein normaler Gemeindepfarrer bzw keine Gemeindepfarrerin haben an dieser Vorlage mitgewirkt, die den Presbyterien das kirchenordnungsmässige verbriefte Recht entziehen will, über Personalfinanzen selbst zu entscheiden und selbst nach eigenem Ermessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen.
Die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe hingegen profitieren in ihren Interessen von den Rechten, die man den Presbyterien wegnimmt:
- Die SuperintendentInnen und Kirchenkreisvertreter können die Verfügungsgewalt über die Gelder und Personalstellen bekommen, über die jetzt noch die Gemeinden alleine die Verfügungsgewalt haben;
- Die Vertreter bestimmter Berufsgruppen möchten einen erheblichen Anteil an diesen Personalgeldern für Vollzeitstellen zu Lasten der nebenamtlichen MitarbeiterInnen reservieren;
- Die Verwaltungen freuen sich über eine deutliche Ausdehnung ihres Einflussbereiches durch die Steuerungsarbeiten und mahnen zusätzliche Stellen an;
- Das Landeskirchenamt bekommt durch edv-basierte Personalkarteien Einblick und langfristige Personalsteuerungsmöglichkeiten.
Es ist unglaublich: Die betroffenen 755 Presbyterien und 1400 GemeindepfarrerInnen, deren Gemeindearbeit durch diese Pläne erheblich verändert wird, sind in der entscheidenden Arbeitsgruppe überhaupt nicht vertreten.
1.2.) Man merkt dieses Defizit der Vorlage auf Schritt und Tritt an: Zwar wird der Rückgang der Finanzen und der Mitgliederzahlen als Problem genannt, aber weitergehendere Analysen und Überlegungen, wo und warum Presbyterien jetzt oder bald überfordert sind und ihnen zugewiesene Aufgaben nicht wahrnehmen können, sind nicht vorhanden. So fehlen logischerweise auch Überlegungen, wie man ggfs. Defizite der Presbyterien durch Hilfen beheben könnte.
Auch Grundsatzüberlegungen wie z.B. die folgenden über die Bedeutung des Presbyteriums für die Gemeindearbeit und für die Kirchenbindung der Gemeindeglieder sind nicht vorhanden.
1.2.1.) Schon die Möglichkeit, dass Keissynoden mit 2/3 Mehrheit die Übertragung aller Beschäftigungsverhältnisse ohne Zustimmung der Gemeinden beschließen können, ist mit der presbyterial-synodalen Ordnung nicht vereinbar. Juristisch dürften solche Überlegungen keinen Bestand haben. (so auch Beschluß Luth. Konvent im Rheinland am 1.11.2011)
1.2.2.) In vielen Kreissynoden sind Gemeinden gegenüber KSV, berufenen Mitgliedern und kreiskirchlichen Pfarrstellen in der Minderheit, so dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit möglich ist, auch wenn die Gemeinden das ablehnen.
1.2.3.) Erfolgreiche Gemeindeleitung ist nur durch eine gemeindenahes Presbyterium sinnvoll möglich und nicht durch einen KSV, der örtlich und organisatorisch weit entfernt ist und dessen Mitglieder (fast) alle in anderen Gemeinden verankert sind.
1.2.4.) Gemeindearbeit wird in Zukunft in hohem Maße durch ehrenamtliche Arbeit geprägt sein müssen: unterstützt durch einige Haupt- und Nebenamtliche (Mitarbeiter, Pfarrer) und geleitet und begleitet durch das Presbyterium.
1.2.5.) Nur ein Presbyterium, das nahe an den Ehrenamtlichen und an den Gemeindegliedern und mit ihnen lebt, kann auf veränderte Situationen schnell reagieren.
1.2.6.) Ein Presbyterium braucht für erfolgreiche Leitungsarbeit schnell handhabbare Spielräume: personell, finanziell, räumlich, theologisch. Jeder Verlust solcher Spielräume schädigt die Handlungsfähigkeit der Presbyterien.
1.2.7.) Jeder Verlust von Verantwortung macht ein Presbyteriumsengagement für qualifizierter Gemeindeglieder uninteressanter.
1.2.8.) Schon heute werden viele Personalstellen und anderes durch Spenden von Gemeindegliedern mit finanziert. Die wenigsten Spender würden bereit sein, beim Kirchenkreis angesiedelte Stellen zu unterstützen. Da in Zukunft diese Spendenbereitschaft der Gemeindeglieder immer dringender nötig wird für die Finanzierung der gesamten Bandbreite der Gemeindearbeit, wäre es ein Schritt in die falsche Richtung, den Gemeinden die Personalverantwortung zu entziehen.
1.2.9.) Die Personalvorlage diskutiert nicht obige Zusammenhänge der Presbyteriumsarbeit und zeigt nicht die Gründe für die Defizite auf, die die Arbeit des Presbyteriums erschweren oder unmöglich machen. Damit verstößt diese Vorlage gegen einen Grundsatz der presbyterial-synodalen Ordnung, dass übergeordnete Stellen nur diejenigen Aufgaben übernehmen dürfen, zu denen die untergeordneten Stellen nicht mehr in der Lage sind.
1.2.10.) Dass berufsspezifische Vollzeitstellen (Kirchenmusik, Jugendarbeit) nicht mehr in dem Maße vorhanden sind, wie betroffene Berufsverbände das gerne hätten, kann man sicher nicht der Gemeindearbeit als ein solches Defizit anrechnen, dass dadurch ein dermaßen gravierendes Eingreifen in die presbyterial-synodale Ordnung gerechtfertigt würde:
1.2.11.) Bei der Kirchenmusik geht es vor allem um die Interessen von einigen A- und B-Kirchenmusikern. Die völlig anders gelagerten Interessen einiger hundert oder tausend neben- oder ehrenamtlicher Kirchenmusiker werden dagegen kaum berücksichtigt.
1.2.12.) In der Jugendarbeit ermöglichen schon heute freiwillige Kooperationen von Gemeinden unkompliziert Vollzeitstellen für JugendmitarbeiterInnen.
1.2.13.) Der Erhalt von Voll- oder Halbzeitstellen in kirchlichen Berufen zählt nicht zu den Aufgaben einer Gemeinde oder eines Presbyteriums. (Art 16 KO) Deshalb kann ein Defizit in dieser Aufgabe nicht die Begründung dafür sein, den Presbyterien Kompetenzen zu entziehen.
1.2.14). Sicher wäre es sinnvoll und gut, Personalkonzeptionen auf Kirchenkreisebene und auf landeskirchlicher Ebene zu entwickeln, um Lösungen für solche und ähnliche Probleme zu finden, doch müssen diese Lösungen nach der Ordnung unserer Kirche auf Freiwilligkeit der Gemeinden beruhen und dürfen nicht zwangsweise durch den Entzug von Kompetenzen durch übergeordnete Ebenen durchgesetzt werden.
1.3.) Die ganze Brisanz dieser Vorlage wird sehr deutlich, wenn man auch die Entwicklung auf anderen Verantwortungsgebieten der Presbyterien im Auge behält: (siehe ausführlicher auf den Seite: Presbyterium als Gemeindeleitung, Verwaltungsstrukturreform)
- Zu der Gefahr des Verlustes von Pfarranbindung und Pfarrwahl, von der Verantwortung über die Verwaltung der Gemeinde und von der Verantwortung für die Gebäude kommt noch eine andere Überlegung:
- In der Begründung B ( a) 2. Abschnitt S.5) hält die Arbeitsgruppe „Personalplanung“ die Gemeinden nicht nur in personalwirtschaftlichen Angelegenheiten sondern auch in finanziellen Angelegenheiten in sehr kurzer Zeit für überfordert: Das würde bedeuten, dass den Presbyterien auch die Hoheit über die Finanzen (oder was davon noch übrig geblieben ist) über kurz oder lang entzogen werden soll.
Was bleibt dann überhaupt noch in der Verantwortung der Gemeinden und Presbyterien? Presbyterien ohne Verantwortung für Personal, Gebäude, Finanzen und Pfarrerschaft sind uninteressant und haben kaum noch Möglichkeiten, Gemeindearbeit zu gestalten.
In den 755 Presbyterien unserer Landeskirche sind mit zehntausend ehrenamtlichen Mitarbeitern viele der aktivsten Kirchenglieder unserer Landeskirche tätig. Ihr Wirken hat immense multiplikatorisch - katalysatorische Auswirkungen auf andere Ehrenamtliche, auf die Gemeindeglieder und auf das Leben in den 755 Kirchengemeinden als der Basis unserer Kirche. Die Arbeit dieser Menschen gilt es zu unterstützen und zu stärken: Ihnen ihre Aufgaben und Kompetenzen weitgehend zu entziehen, hätte verheerende Auswirkungen auf unsere Evangelische Kirche im Rheinland.
1.4.) In den Diskussionen sollte man nicht auf die Gefahr hereinfallen, sich lange über Details einer Umsetzung des Top-Down-Konzeptes (Begriff für die Tendenzen zu einer Leitung der Kirche von oben nach unten, statt der evangelischen, presbyterial-synodalen Ordnung von unten nach oben) der Personalplanung zu unterhalten, sondern man sollte die zentrale Frage im Auge behalten: Ist es überhaupt sinnvoll, dass den Presbyterien die Personalentscheidungen über ganze und halbe Stellen weggenommen werden?
In dem Tendenzbeschluss der LS 2011 wird ausdrücklich nur angestrebt und nicht beschlossen, dass die Steuerungsebene für die Kirchliche Personalplanung der Kirchenkreis wird (Siehe Seite 7). Die Personalplanungsvorlage für die LS 2012 allerdings diskutiert diese Überlegung gar nicht mehr, sondern suggeriert fälschlicherweise, es gäbe einen gültigen Beschluss, bei dem man nur noch über die Konsequenzen diskutieren müsste: „Die mit Beschluss 53 LS 2011 getroffene Grundentscheidung soll..“ (S.14/15)
2.) Kritische Anmerkungen zu Details der Vorlage
2.1.) Ärgerlich ist an vielen Stellen der Vorlage der Sprachgebrauch, der ganz offensichtlich entscheidende Nachteile für die Presbyterien verschleiern soll:
- Ist es wirklich nur eine „Adäquate Fortentwicklung der presbyterial-synodalen Ordnung“, wenn den Presbyterien gravierende Finanzbereiche und die Verantwortung für das Personal entzogen werden? (5. S.37)
- Ist es wirklich nur eine Konzentration auf die „eigentlichen“ Aufgaben des Gemeindeaufbaus, wenn den Presbyterien die Verantwortung für Personaleinstellung und Steuerung entzogen wird? Ohne eigene Möglichkeiten der Personalsteuerung verringern sich die Fähigkeiten der Presbyterien für den Gemeindeaufbau drastisch. (5.2. S.37)
- Ist es wirklich nur eine Veränderung von Mitwirkungsrechten der Presbyterien, wenn statt der Auswahl und Einstellung durch das Presbyterium nur noch der Personalkirchmeister einer Gemeinde in dem verantwortlichen Personalausschuss des Kirchenkreises oder der Region Mitglied ist und eine einzige Stimme hat? (5.1. S.37) Bislang hatten die Presbyterien im Personalbereich ein eigenes verantwortliches Gestaltungsrecht (KO Art. 16 g-i) über Personal und Finanzen und nicht nur ein Mitwirkungsrecht.
- Stimmt es wirklich, von „Entlastung der Finanzen der Gemeinde“ zu sprechen? Die Personalfinanzen werden doch als Umlage etc. vorher abgezogen: Die Belastung der Gemeindefinanzen durch Personalkosten bleibt gleich, auch wenn alle Gemeinden alle Personalkosten zusammenlegen, nur die steuernde Verantwortung für den eigenen Personalteil wird den Gemeinden weggenommen. (5.3. S.37)
- Stimmt es denn wirklich, dass „der Kirchenkreis kein Eigeninteresse im Gegenüber zu seinem Gemeinden“ hat. (1.1.1. ) S.14.? Zwar ist der Kirchenkreis „nichts anderes als die Gemeinschaft der in ihm zusammengeschlossenen Gemeinden“ (Art. 95 KO) (S.5), aber es ist nicht zu übersehen, dass Handelnde im Kirchenkreis erheblich andere Interessen haben können als die Interessen einzelner Gemeinden.
Z.B.: Die öffentliche mediale Aufmerksamkeit durch Konzerte oder Kulturdarbietungen ist eher ein spezifisches Kirchenkreisinteresse (A-Kirchenmusiker) als das Interesse der Gemeinden, denen die Stärkung gemeindlicher Arbeit durch Chöre und gutes sonntägliches gottesdienstliches Orgelspiel näher liegt.
Zusammenfassung: Ist eine solche oft mehr verschleiernde als klare Sprache wirklich die gute Gesprächsbasis, mit der Arbeitsgruppe und Kirchenleitung den offenen Dialog mit den Presbytern und Presbyterinnen, Pfarrern und Pfarrerinnen und den Landessynodalen suchen wollen, um gute Lösungen zu finden?
2.2.) Zusammenarbeit verlangt Regeln:
Die Personalplanung ist aber ein Organisationsmonster, das viele ehren- und hauptamtlichen Kräfte in der Erstellung von Personalrahmenkonzepten und Satzungen, in Personalplanungsausschüssen und Personalausschüssen jeweils im Kirchenkreis oder in den Regionen und letztlich in der Verwaltung und im KSV bindet.
Durch das Modell „Regionale Kooperationsräume“ würde sogar noch eine neue Ebene eingezogen. Statt schlanker Verwaltung zusätzliche Verwaltungsaufgaben, zusätzliche Leitungsarbeiten, zusätzliche Koordinationsarbeiten mit notwendigerweise mehr Verwaltungspersonal.
(Abschreckende sehr lesenswerte Beispiele sind die Anhänge II und III, die den gesamten erforderlichen Aufwand andeuten: Seite 50: Anhang II Satzung Modell „Regionale Kooperationsräume“ und Seite 57: Anhang III Satzung „Kirchenkreismodell“)
Welche zusätzliche lähmende Bürokratisierung bedeutet nur beispielsweise die Einstellung für eine halbe Jugendleiterstelle gegenüber der heutigen Einstellung durch Presbyterium und Jugendausschuss, wenn zusätzlich zwei in gewissem Rhythmus tagende Gremien vor der Beschlussfassung in den Presbyterien eingeschaltet werden müssen: a) der Personalausschuss in den Kooperationsräumen (Anhang II, § 7 Abs 7) und b) der Personalausschuss in den Kirchenkreisen (§ 5 Abs 6 und § 7 Abs 8)?
2.3.) Einige grundlegende Erfahrungen in der Gemeindearbeit werden in der Personalplanungsvorlage nicht berücksichtigt, wenn sie kirchenkreisangebundene Voll- oder Halbzeitstellen favorisiert und bei Einstellungen zusätzliche Kirchenkreisebenen mit entscheiden lässt.
2.3.1) Gemeindekonzepte in bestimmten Arbeitsbereichen wie Jugend oder Kirchenmusik ändern sich mit den Charismen und Schwerpunkten jedes neuen Mitarbeiters und können nie festgeschrieben werden:
- Ein charismatischer Chorleiter lockt viele Sänger an, unter seinem Nachfolger darbt der Chor dahin.
- Eine Organistin lockt zum Flötenunterricht innerhalb kurzer Zeit 60 Kinder an, die Nachfolgerin findet keinen Zugang zu den Kindern.
- Jeder Jugendleiter hat andere Schwerpunkte und andere Charismen, wo er Erfolg hat: Für die Jugendarbeit kann ein solcher Wandel der Zielgruppen von Zeit zu Zeit sehr gut sein.
Für alle gilt: Das Festschreiben eines bestimmten Zustandes in einem Gemeindekonzept ist kontraproduktiv und fesselt Gemeindearbeit an Charismen von Mitarbeitern der Vergangenheit. Gemeinden sollen offen sein für die anderen Gaben neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
2.3.2.) Auch eine weitere grundlegende Erfahrung der Gemeindearbeit findet hier keinen Niederschlag: Gemeinden und Presbyterien möchten in vielen Bereichen ihren eigenen Mitarbeiter haben, der ihnen zur Verfügung steht, der mit ganzem Herzen (auch bei Teilzeitstellen) bei ihnen engagiert ist. Sie möchten nicht jemanden, der nur Stellenbruchteile bei ihnen absolviert.
2.3.3.) Und auch dem Interesse vieler Mitarbeitern kommt dieses Modell der alleinigen Teilzeitstelle in einer Gemeinde sehr entgegen: Kirchenmusik ist bei hunderten oder gar tausenden Kirchenmusikern eine nebenamtliche (bezahlte) Arbeit: Wenn hauptamtliche A-Kirchenmusiker Ehrenamtliche für unbezahlte Arbeit schulen, zerstören sie die Basis dieser nebenamtlichen Kirchenmusiker. Dabei ist es eine große Frage, ob der Traum ehrenamtlichen qualifizierten Orgeldienstes überhaupt realisierbar wäre.
2.3.4.) Jugendarbeit gedeiht besser mit der Verankerung des Hauptamtlichen in der Gemeinde, die sich bei Festen, besonderen Gottesdiensten, gemeinsamem Gottesdienstbesuch, Freundschaften und anderem ehrenamtlichen Engagement und bei Projekten auszahlt.
2.3.5.) Bei der Auswahl der Leitung eines guten Chores verlangen die Chormitglieder normalerweise, dass sie in diese Suche verantwortlich mit eingebunden werden: Hauptamtliche Stellen beim Kirchenkreis sind da völlig ungeeignet.
2.3.6.) Bei der Personalsteuerung in einer Gemeinde ist nur ein Presbyterium in der Lage, bei einem neuen Mitarbeiter bzw. einer Mitarbeiterin zu beurteilen, ob er in diese Gemeinde passt, welche Aufgabenfelder ihm zu übertragen seien, welche Stundenanzahl angemessen ist und im Rahmen der Gemeindefinanzen finanziell tragbar erscheint und wie die Modalitäten dieses Engagements sinnvollerweise sein können. Ein zusätzliches Einschalten oder gar Beschließen anderer Gremien verzögert und verhindert Personaleinstellungen.
2.4.) Die erzwungene Zusammenarbeit naheliegender Gemeinden in Regionen wird eine immer sprudelnde Quelle von Neid, Streit, Eifersucht und Missgunst sein. Außerdem passen oft die Gemeinden z.B. in der Jugendarbeit besser mit anderen Gemeinden zusammen als z.B. in der kirchenmusikalischen Arbeit. Freiwillige Kooperationen und begrenzte Zusammenarbeiten dürften da erheblich erfolgreicher sein.
2.5.) Kirchenmusik
Hier und da wird die geäußerte Überlegung geäußert, man könne alle für die Kirchenmusik der Gemeinden eines Kirchenkreises vorgesehenen Finanzen zusammenlegen und habe dann einen so großen Etat, dass man aus diesem Etat ein oder zwei vollberufliche A-Kirchenmusiker anstellen könne, um mit dem Rest die kirchenmusikalischen Bemühungen der Gemeinden zu finanzieren.
Dieser Gedanke übersieht völlig, dass viele Gemeinden passgenau das Geld in ihren Etat für Kirchenmusik einstellen, das sie für die momentane Situation brauchen: Orgelspiel in Gottesdiensten, Kirchenmusik bei Amtshandlungen, Chorleitung, Kinderchornoten etc. Da bleibt auch bei dem Zusammenlegen vieler einzelner Gemeindeetats keine Luft für die zusätzliche Einstellung eines A-Kirchenmusikers.
2.6.) „Wenn gut ausgebildete hauptamtliche Experten aus den Berufsgruppen Kirchenmusik, Jugendarbeit etc. verstärkt auf Kirchenkreisebene angesiedelt sind, verhindert dies nicht einen Stellenabbau. Es kann ebenso Stellenabbau legitimieren und vereinfachen. Darüber hinaus hat die vermehrte Ansiedlung der entsprechenden Stellen auf Kirchenkreisebene die Konsequenz, dass Pfarrer und Pfarrerinnen zunehmend näher an der praktischen Arbeit vor Ort sind als die Personen anderer Berufsgruppen. Dies führt zu einer größeren Pfarrerzentriertheit in der Praxis der Gemeinden.“ (Punkt 9 der Stellungnahme des Dürener Studientages vom 09.Juni 2011)
2.7.) Grenzen der Gestaltungsfähigkeit der Gemeinden (zu 1.1.2 (S. 14))
Das beklagte Erreichen der Grenzen der Gestaltungsfähigkeit der Gemeinden durch die zurückgehenden Finanzmittel ist kein Naturgesetz, sondern wurde durch die seit Jahren andauernde Reduzierung von Finanzmitteln durch höhere Ebenen erreicht: Je mehr Umlagen Landeskirche und Kirchenkreis für sich beanspruchen, desto weniger bleibt für die Gemeindearbeit vor Ort übrig. Das Prinzip der Kirchensteuerhoheit durch die Gemeinden wurde de facto umgedreht: Die Gemeinden müssen sich den übrigbleibenden Rest teilen, statt dass sie den anderen Ebenen ihre Anteile zuteilen.
Ein massiver Eingriff in die Finanzhoheit der Gemeinden wurde getätigt z.B. durch die erzwungene Substanzerhaltungsrücklage. Während Landeskirche und Kirchenkreise mit ihren überschaubaren Gebäudebeständen die dafür notwendigen Mittel in ihre Umlagen mit einrechnen, können viele Gemeinden diese enormen Kosten nicht schultern. Eine Substanzerhaltungsrücklage, die in etlichen Gemeinden mehr als die Hälfte der den Gemeinden zugewiesenen Kirchensteuermittel auffrisst, treibt diese Gemeinden auf kürzestem Wege in den Ruin: Sie verlieren durch eine landeskirchliche Vorschrift ihre Gestaltungsfähigkeit für die Gemeindearbeit.
Es ist kein fairer Umgang mit den Gemeinden und Presbyterien, wenn einerseits ihnen immer mehr Finanzen entzogen werden, dann ihre schwindende Leistungsfähigkeit als Begründung dient, ihnen auch den Rest an Zuständigkeit zu entziehen.
2.8.) Zu „Empowerment“ als Modell moderner Personalentwicklung (zu 2.2. S. 24)
Die Vorlage „Kirchliche Personalplanung“ betont, wie wichtig für Kirche und Diakonie neben dem traditionell geprägten Helfer des Hauptamtlichen ein neue Typus ehrenamtlicher Mitarbeitenden sei: „…hoch kompetent, unabhängig, punktuell und in klar abgegrenzten Projekten engagiert. Kirche und Diakonie sind – im Wettbeweb mit anderen Anbietern von interessanter Freiwilligenarbeit - dringend auf diese Menschen angewiesen. Und sie müssen ihnen einen adäquaten Rahmen anbieten: Entscheidungsspielraum, partnerschaftlichen Umgang, Mitsprache, ja: Macht.“ (S.24f)
Bei solchen Sätzen fragt man sich, wer so etwas schreibt: Hat nicht die evangelische Kirche seit Jahrhunderten genau diesen Mitarbeitertypus in den Presbyterien? Baut nicht unsere Kirche seit Jahrhunderten genau auf dieser Mitarbeit auf?
Und dann schlägt die Vorlage „Kirchliche Personalplanung“ das genaue Gegenteil vor: Diesen vorhandenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Presbyterien und Gemeinden genau diesen „Entscheidungsspielraum, …. Mitsprache, ja: Macht“ zu entziehen und die Verantwortung für Personalfinanzen und Personalplanung auf die Kirchenkreisebene zu übertragen.
Es ist unglaublich: Die Rheinische Kirche hat in 755 Presbyterien genau die ehrenamtlich Mitarbeitenden mit oft äußerst hohen Kompetenzen, um die uns andere Organisationen glühend beneiden, und diese Personalplanungsvorlage entzieht diesen Presbyterien mit der Personalverantwortung ein wichtiges Standbein. Die Presbyterinnen und Presbyter mit ihren Familien sind in vielen Gemeinden der Kern der Ehrenamtlichen und oft auch Kern der Gottesdienstgemeinde: Statt diese zu hegen und zu pflegen, statt diese zu unterstützen und fortzubilden, statt diese zu stärken und zu qualifizieren, nimmt man ihnen ihre Verantwortung weg. Von „Kultur der Wertschätzung“ (S. 25) ist das weit entfernt.
Einen entmutigenderen und demotivierenderen Plan für Ehrenamtliche und Presbyterinnen und Presbyter kann man sich kaum vorstellen. Durch solche Pläne wird die Basis unseres evangelischen Kirchseins im Rheinland aufs Spiel gesetzt.
Presbyterien müssten so gestärkt und ermutigt werden, dass sie bei Personalplanungen, wenn es notwendig und gut ist, auf freiwilliger Basis auch die Zusammenarbeit mit anderen Presbyterien suchen. Da ist die moderierende Unterstützung des Kirchenkreises angesagt.
2.9.) Landeskirchliche Rahmenfunktionen (zu 3.1. S. 30)
Angesichts der zu erhaltenden Vielfalt der Gemeindearbeit in den unterschiedlichsten sozialen Strukturen unterschiedlichster Kirchenkreise sollte es keine landeskirchlich vorgeschriebenen Mindeststandards für das Verhältnis von Personalkosten, Pfarrdienst, Immobilien etc. geben. Hier sollte die Entscheidungsfreiheit der Kirchenkreise und der sie tragenden Gemeinden nicht eingeengt werden, da schon durch die Kirchenleitung und die Planungskonferenz für den Pfarrdienst der Anteil der Ausgaben für den Pfarrdienst auf maximal 40 Prozent festgelegt ist. Im Rahmen des Modells 4 (3.1. Modell 4, S. 32) würde es dann völlig genügen, wenn es zu den Beratungen in der landeskirchlichen Personalplanungskonferenz eine Berichtspflicht der Kirchenkreise an die Kirchenleitung gibt (und keine Genehmigung der KL).
2.10.) Kirchenkreiszuständigkeit statt Gemeindeverantwortung
Zur Verteidigung dieses Top-Down-Konzeptes der Personalplanung wird immer wieder argumentiert, dass die meisten Kirchenkreise doch aller Wahrscheinlichkeit nach einen erheblichen Anteil an Entscheidungen über das Personal wieder an die Gemeinden zurückgeben würden und dass schließlich an allen kreiskirchlichen Entscheidungen die Presbyterien durch ihre Vertreter beteiligt werden. Das mag alles stimmen, aber:
Die Grundsatzentscheidung nähme den Presbyterien das ihnen nach KO 16 zustehende Recht der Entscheidungen im Personalbereich und über die dazu zur Verfügung stehenden Finanzen weg und überträgt dieses Recht an den Kirchenkreis. Was dann der Kirchenkreis damit macht, ist zweitrangig und kann sich jederzeit verändern: Die Presbyterien sind nicht mehr alleine verantwortlich, sondern hängen von den Entscheidungen des Kirchenkreises ab. Damit hätten sie ihre Kompetenz in einem sehr wichtigen Verantwortungsbereich verloren.
2.11.) Zwei Überlegungen für alternative Handlungsmöglichkeiten:
2.11.1.) Sicher ist kaum etwas dagegen einzuwenden, dass die Gewinnung ehrenamtlicher MitarbeiterInnen („multiplikatorisch-katalysatorischen Funktionen“) zu den Aufgaben (fast) aller Berufsgruppen innerhalb der Kirche zu zählen ist. Aber gerade dieses Charisma, Menschen zu begeistern, ist nicht abhängig von Vollzeitstellen.
Da Charisma nicht an feste vorhandene Vollzeitstellen gebunden ist, wäre es überlegenswert, angesichts der wenigen zur Verfügung stehenden Stellen teilweise eine andere Personalpolitik einzuführen: Ausgerichtet an Menschen mit Charisma und nicht an festgelegten Stellen: Immer dann, wenn in einer Gemeinde oder im Kirchenkreis ein Mensch mit großem Charisma als Kirchenmusiker, Gemeindepädagoge oder Jugendleiter zur Verfügung steht, dann wird zielgenau mit ihm eine Stelle (im Rahmen des verfügbaren Budgets) eingerichtet und besetzt: Dieser Mitarbeiter mit großem Charisma wird eine Vielzahl von Menschen ansprechen und begeistern können: Der gezielte Personaleinsatz zeigt die höchste Effizienz. Diese Stelle besteht aber nur, solange sie mit dieser Person besetzt ist. Bei einem Weggang kann diese Stelle wegfallen, ruhen oder wieder neu, evtl. in einem anderen Bereich, errichtet werden, wo nun ein sehr guter Mitarbeiter zur Verfügung steht.
Mit einer solchen Personalpolitik flexibler Stellen erreicht man mit einer optimalen Stellenbesetzung erheblich mehr, als wenn Dauerstellen immer wieder zwangsläufig kompromisshaft besetzt werden.
2.11.2.) Alternativvorschlag b:
Um das Ziel einer begrenzten Anzahl hauptamtlicher Stellen zu sichern, wäre ein anderer Weg gangbar. So wäre eine Lösung eines Problems erheblich einfacher zu bewerkstelligen als mit dem Konzept „Personalplanung“: Jeder Kirchenkreis, der Interesse und zusammen mit den Gemeinden finanzielle Ressourcen dazu hat, beruft einen hauptamtlichen Kreiskantor auf einer A-Stelle (mit vorrangiger Aufgabe der kirchenmusikalischen Ausbildung etc) und einen hauptamtlichen Jugendmitarbeiter (mit vorrangiger Aufgabe der Mitarbeiterschulung). Die Errichtung der Stellen durch die Kreissynode erfordert eine maßvolle Erhöhung der Umlage: Alle anderen Personalgelder werden weiterhin alleine durch die Gemeinden und Presbyterien verwaltet. Der KSV bietet dabei moderierende Angebote zu freiwilliger Zusammenarbeit an.
3. Auswirkungen auf den Pfarrberuf
Obwohl eine landeskirchenweite Diskussion über das zukünftige Pfarrbild und den Pfarrberuf gerade erst beginnt, will die Vorlage vom 10.Juni 2011 für den Beratungsprozess „Kirchliche Personalplanung“ gravierende Festlegungen treffen.
Indem der Pfarrberuf als ein spezialisierter Beruf neben anderen Berufen in der Kirche gesehen wird, wird das Berufsbild stark verkürzt. Die Vorlage (Anhang IV, Auszug aus der Drucksache 4, Abschnitt 2 Kirchliche Berufe: Pfarrerinnen und Pfarrer, Seite 70f) sieht die Kernaufgaben des Pfarrberufes bei „Verkündigung und Seelsorge“ (S.71).
Bei allen anderen Aufgaben sei „dringend Entlastung durch andere beruflich Mitarbeitende angezeigt“. (S. 71) „Dies dürfte insbesondere für den Jugend- und Verwaltungsbereich gelten.“ (S.71)
- In der Gemeindewirklichkeit haben Pfarrerinnen und Pfarrer große Anteil an der Organisation des Gemeindelebens. Auch wenn in einigen Gemeinden solche Aufgaben durch Ehrenamtliche hervorragend gelöst werden, wird in den meisten Gemeinden mit geringer werdenden Mitarbeiterstellen in Zukunft diese Arbeit der Pfarrerin oder des Pfarrers dringend gebraucht werden. (Multiplikatorisch – katalysatorischer Dienst“ S.72)
- Die Kirchenordnung der EKiR sieht als leitenden Beruf in unserer Kirche zusammen mit dem Presbyterium das Pfarramt vor. Man könnte sich mit guten Gründen auch Juristen oder Betriebswirtschaftler an diese Stelle vorstellen: Das bedeutet aber: Die Leitung der Gemeinde soll mit theologischem Hintergrund geschehen.
Sollte nicht eine ausführliche Diskussion des rheinischen Pfarrbildes Voraussetzung sein für fundierte Entscheidungen im Bereich Personalplanung, bevor einseitige Verkürzungen irreparable Schäden verursachen?
Stand 12.08.2011