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Welche Kirche wollen wir?

Zwischenbilanz zur Diskussion um die Personalplanung und die geplante
Verwaltungsstrukturreform

 

Von
Hans-Jürgen Volk

 

Dass es zu viele Baustellen in unserer Kirche gibt, wird von
exponierten Repräsentanten der Ev. Kirche im Rheinland durchaus eingeräumt. Verhalten
werden Zweifel am Reformprozess und dessen Kohärenz geäußert. Nun redet der im
Januar neugewählte Oberkirchenrat Manfred Rekowski erfrischend Klartext und
konstatiert eine „Vertrauenskrise in Teilen unserer Kirche“ (Vgl. http://www.ekir.de/www/service/rekowski-14236.php).
Sollte sich diese Wahrnehmung als Erkenntnisgewinn durchsetzen, hätten sich die
Regionalkonferenzen zu den Themen Personalplanung und Verwaltungsstrukturreform
gelohnt.

 

Gründe für den Vertrauensverlust

Es gibt eine Vertrauenskrise, die in ihrer Dimension die Wahrnehmung
von Rekowski vermutlich in den Schatten stellt. Und die hat Gründe. Im Kern
geht es um die sehr grundsätzliche Frage, welche Kirche wir wollen. Eine
Kirche, die wie ein „moderner Dienstleistungskonzern“ funktioniert oder eine
Kirche der Vielfalt, in der Leitung primär verstanden wird als Ermutigung und
Unterstützung von Initiativen, die aus den Gemeinden und Kirchenkreisen
entwickelt werden. Will man diese Kirche steuern durch landessynodal
legitimierte Top-Down-Impulse und setzt auf gesetzliche Regelungen in immer größerer
Dichte, oder vertraut man dem biblischen Prinzip der Freiwilligkeit und der
Ausstrahlungskraft der eigenen Argumente?

Ein offener Diskurs zu diesen Fragen, der alle Ebenen der Landeskirche
umfasst, fand bis heute nicht statt. Es war vielmehr für Viele ein Schock, als
zu Beginn des Jahres 2006 die Papiere von zwei landeskirchlichen Arbeitsgruppen
den Bauplan für den geplanten Umbau der Kirche lieferten. Dieser befand sich trotz
eigener Akzente im Einklang mit dem später erschienen EKD-Impulspapier „Kirche
der Freiheit“ und lehnte sich in vielem an den damaligen politischen Prozess
an, der zur Agenda 2010 geführt hatte. Die Gemeinden und Kirchenkreise wurden
damals in Form von sog. Protokollbögen lediglich um Stellungnahmen in Form von
simplen Ja/Nein-Antworten gebeten. Der Bauplan an sich wurde nicht zur
Diskussion gestellt, lediglich im Blick auf die Raumaufteilung und die
Inneneinrichtung gestand man den unteren Ebenen gewisse Einflussmöglichkeiten
zu.

(Ausführlicher hierzu der Beitrag „Corporate Identity“ .- http://www.zwischenrufe-diskussion.de/pages/ekir/corporate-identity.php)

 

Unredliche Kampagnen

Für die ev. Kirche im Rheinland war dies eine neue Erfahrung. Von
Beginn an war der Reformprozess auch im Rheinland begleitet von unredlichen
Kampagnen. Bis heute reagieren ranghohe Exponenten unserer Kirche empfindlich
auf den Vorhalt, dass es sich hierbei um eine von der EKD-Ebene inspirierte
Top-Down-Strategie handelt. Ja was denn sonst? Die kampagnenartige
Untermauerung des Reformprozesses belegt genau dies. Es ging nicht mehr um
einen offenen Diskurs auf Augenhöhe. Es ging vielmehr darum, die gewünschten
kirchenpolitischen Ziele mit aller Macht zu erreichen - natürlich in dem
Glauben, der Ev. Kirche damit etwas Gutes zu tun. Kritikern des Reformprozesses
wurde nicht sachlich begegnet. Man hielt ihnen in einer bemerkenswert
einheitlichen Sprachregelung vor, einem „Kirchturmdenken“ verhaftet zu sein und
„Angst vor Veränderung“ zu haben. Beschämend ist in diesem Zusammenhang die
Verwendung der sog. „einfachen Formel“, die seit Beginn des vergangenen
Jahrzehnts für das Jahr 2030 einen Mitgliederverlust von einem Drittel der
Gesamtmitgliedschaft (- was EKD-bezogen wahrscheinlich stimmt -) und eine
Halbierung der Finanzkraft ( - was reine Fiktion ist - ) prognostiziert (vgl.
hierzu die Beiträge „Nichts als die Wahrheit?“ - http://www.zwischenrufe-diskussion.de/pages/kirche-und-geld/nichts-als-die-wahrheit.php
oder immer noch aktuell, obwohl aus dem Jahr 2008 „Möglichkeiten und Grenzen
kirchlicher Finanzplanung“ - http://www.zwischenrufe-diskussion.de/pages/kirche-und-geld/moeglichkeiten-und-grenzen-kirchlicher-finanzplanung.php
- . Wer sich intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, dem sei das erhellende
Buch von Prof. Gerd Bosbach, „Lügen mit Zahlen“ empfohlen.)

 

Fehlende publizistische Begleitung, totschweigen alternativer Positionen

Keine Frage, die Evangelische Kirche im Rheinland gehört zu den Ev.
Landeskirchen, die mit großer Offenheit Dokumente zum Reformprozess im Internet
veröffentlichen. Wer sich allerdings auf die kirchennahen oder kircheneigenen
Printmedien als Informationsquelle verlässt - und dies dürfte immer noch die
Masse der kirchlich Engagierten sein - ist grottenschlecht oder gar nicht
informiert. In den letzten Ausgaben von „Chrismon Plus“, das von vielen
Gemeindegliedern gelesen wird,  sind zum
rheinischen Reformprozess keine substantiellen Informationen zu finden. Nicht
zu fassen ist es, dass das Gleiche für das „EKiR.info“ gilt, das sich an
Presbyterinnen und Presbyter richtet. Nirgendwo wird der Diskurs, der auf der
landeskirchlichen Ebene stattfindet, transparent dargestellt.

Auf alternative Positionen zum Reformprozess wird in den Medien der
Landeskirche gar nicht eingegangen. Wer sich hier informieren will, wird ist
angewiesen auf die „Zwischenrufe“, auf www.transparentonline.de
oder auf die neu eingerichtete Seite von Manfred Alberti (www.presbyteriumsdiskussion-ekir.de).
Es gibt ganze Regionen in unserer Landeskirche, von denen noch kein Mensch
etwas von jenem bemerkenswerten Studientag in Düren gehört hat, zu dem im Juni
2011 130 Teilnehmende aus über 50 Gemeinden und verschiedenen Kirchenkreisen
zusammenkamen (Vgl. hierzu http://www.evangelischegemeinde-dueren.de/cms/front_content.php?idcat=95&idart=346.)
- Ein Kollege wies vor kurzem mit Recht darauf hin, dass auf jede anwesende
Person in Düren mindesten 4 weitere kommen, die aus terminlichen Gründen nicht
teilnehmen konnten.

Unübersehbar ist das krampfhafte Anliegen der Landeskirche, die
Kontrolle über den Reformdiskurs zu behalten - was diesen im Keim erstickt.
Vorherrschend ist die Angst vor einem wirklichen offenen Diskurs. Alternative
Positionen werden totgeschwiegen. Dies schafft weder Vertrauen noch ist es ein
Zeichen von Souveränität.

Bevor die Kirchenreform so richtig in Gang kam, wurde die Landschaft
der unabhängigen evangelischen Publizistik erheblich ausgedünnt, indem man
Printmedien wie z.B. der Wochenzeitschrift „Der Weg“ die kirchlichen Zuschüsse
entzog. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! (Vgl. hierzu das Dossier von
Publik-Forum: „Kein Herz für den Journalismus“ - http://www.publik-forum.de/archiv/kein-herz-fuer-den-journalismus-19342).

Oft genug hängt es allein von der Person der Superintendentin/des
Superintendenten ab, ob Kirchenkreise informiert werden oder nicht - was mit
ein Grund für die recht unterschiedliche Befindlichkeit in unserer Landeskirche
ist. Die Kirchengemeinde Düren verschickte die Einladung zu dem angesprochenen
Studientag u.a. an die Supturen mit der Bitte um Weitergabe. Mit Prof. Isolde
Karle war es der Gemeinde gelungen, eine hochkompetente Referentin zu gewinnen,
die zuletzt mit ihrem empfehlenswerten Buch „Kirche im Reformstress“ auf sich
aufmerksam gemacht hat. Es gibt offenkundig Superintendenten in unserer
Landeskirche, die weitaus eher kommerzielles Werbematerial an ihre Gemeinden
weiterreichen, als derartige Veranstaltungshinweise!

Wer sich zudem bei zentralen Punkten der
Kirchenreform wie der NKF-Umstellung oder der Verwaltungsstrukturreform für
teures Geld externe Beratung mit dem entsprechenden ideologischen Hintergrund
einkauft, blockt damit synodale Prozesse ab und schafft durch dieses Vorgehen
auch nicht unbedingt Vertrauen.

(Vgl. hierzu http://havix01.helium.selfhost.de/media/download_gallery/presbyt-syn_ordnung.pdf)

 

Fehlende Kohärenz der Reformen am Beispiel des Kirchenkreises Simmern-Trarbach

Rekowski weist völlig zutreffend darauf hin, dass in zahlreichen
Kirchenkreisen und Gemeinden seit langem versucht wird, im Bereich der
Personalplanung Probleme zu lösen. Immer wieder wird jedoch
eigenverantwortliches Agieren durch neue landeskirchliche Regelungen
konterkariert, was Zeit und Energie kostet und für Missstimmung sorgt.

Hätte man noch im Jahr 2006 für zentrale Reformanliegen werben wollen,
so wäre der Kirchenkreis Simmern-Trarbach ein überzeugendes Beispiel gewesen.
Seit langem funktioniert dieser Kirchenkreis, der schon immer zu den
finanzschwachen in unserer Landeskirche gehört hat, wie eine
Solidargemeinschaft. Die Gemeinden erlebten die Kirchenkreisebene als Förderin
bei Bauprojekten, wichtige Impulsgeberin und als Stütze der Arbeit vor Ort. Die
fiskalische Stärkung des Kirchenkreises wurde von den Gemeinden einmütig
mitgetragen, da die Vorteile offenkundig und spürbar waren.

Ein Beispiel ist die Jugendarbeit, die schon in den 80-er Jahren beim
Kirchenkreis angesiedelt und in Regionen organisiert war. In der Regel sind
jeweils zwei hauptamtliche Kräfte in den Gemeinden einer Region aktiv.
Begleitet werden sie durch regionale Jugendausschüsse. Durch diese Konzeption
gelang es bis heute, die Gemeinden flächendeckend im Bereich der Kinder- und
Jugendarbeit mit Hauptamtlichkeit zu versorgen mit insgesamt eindrucksvollen
Ergebnissen für dieses Arbeitsfeld.

In den 90-er Jahren unterstützte der Kirchenkreis durch Investitionen
in zusätzliche Hauptamtlichkeit von einem massiven Zuzug an Russlanddeutschen
betroffene Gemeinden. Die Stellen waren ebenfalls auf Kirchenkreisebene
angesiedelt. Durch diese Arbeit gelang es in Verbindung mit engagierten
Ehrenamtlichen vor Ort, eine Vielzahl der Neubürger in die Ev. Kirche
einzubinden. Wo sich anderorts die Masse der Russlanddeutschen in freien
Gemeinden organisierten, erlebten auf dem Hunsrück und an der Mosel etliche
Kirchengemeinden einen belebenden Zuwachs an neuen Gemeindegliedern.

Seit Jahrzehnten hat der Kirchenkreis ein zentrales Verwaltungsamt.
Auch in anderen Arbeitsfeldern wie z.B. der Kirchenmusik unterstützt der
Kirchenkreis als Anstellungsträger und Steuerungsebene die Gemeindearbeit vor
Ort.

Über viele Jahre hinweg waren diese beispielhaften
Kooperationsstrukturen erfolgreich. Dies konnte gelingen, weil man auf
Freiwilligkeit und Überzeugungskraft setzte. Es waren starke, selbstbewusste
Presbyterien - im Raum Simmern mit einer bewusst reformierten Tradition - die
diese Rahmenbedingungen schufen. Gerade der Respekt vor der Integrität der
Presbyterien ermöglichte den Aufbau eines Kooperationsmodells, durch den der
Kirchenkreis als intakte Solidargemeinschaft funktionierten konnte.

In der Vergangenheit wurden die meisten Elemente der landeskirchlichen
Reformbemühungen von den Verantwortlichen im Kirchenkreis Simmern-Trarbach
nicht als Bedrohung empfunden, weil man mit Fug und Recht sagen können: „Das
haben wir doch bereits seit langem aus eigener Einsicht umgesetzt.“ Dies könnte
sich durch die bisherigen Vorlagen zur Verwaltungsstrukturreform allerdings
rasch ändern.

Simmern-Trarbach gehört
nämlich zu den kleinsten Kirchenkreisen der Landeskirche im Blick auf die
Gemeindegliederzahl - knapp 37.000 sind es aktuell. In einem Beschluss des Kollegiums
des Landeskirchenamtes zur Verwaltungsstrukturreform liegt eine
Diskussionsgrundlage vor, die auf der Arbeit der Fa. Kienbaum basiert, die als
externe Beraterin engagiert wurde (Vgl. http://www.ekir.de/verwaltungsstruktur/diskussionspunkte.php).
Gefordert wird in diesem Papier eine Mindestausstattung an Personal, das vor
allem im Baubereich und für die Immobilienbewirtschaftung neu angestellt werden
soll. Erhellend
ist folgende Aussage: „Dem soll auch das Stichwort „strategisches
Immobilienmanagement“ dienen. Gerade im Blick auf die Erzielung von
angemessenen Renditen von gemeindeeigenen Wohnimmobilien ist großer
Handlungsbedarf.“ - Will man sich an Beispiel an dem Gebaren privater
Wohnungsbaugesellschaften nehmen? Neben der Forderung nach einer
Mindestpersonalausstattung spielen Fallzahlen bei der Frage eine Rolle, welche
optimale Größe eine effiziente Verwaltung haben sollte. Im Papier selbst wird
darauf hingewiesen, dass nur 16 Kirchenkreise die Voraussetzungen hierfür
erfüllen. Schaut man sich die Kirchenkreise der Ev. Kirche im Rheinland an,
liegt die Gemeindegliederzahl dieser Kirchenkreise mindestens zwischen 70.000
und 80.000. Kirchenkreise mit weniger als 70.000 Gemeindegliedern werden durch
den Hebel einer Verwaltungsstrukturreform zu Fusionskandidatinnen.

Angenommen, jene radikalreformerischen
Kirchturmpolitiker mit dem betriebswirtschaftlichen Tunnelblick setzen sich mit
ihren Vorstellungen durch. Simmern-Trarbach müsste dann entweder mit dem
Kirchenkreis Trier - flächenmäßig der größte in der EKiR mit etwas mehr als
57.000 Gemeindegliedern oder dem Kirchenkreis an Nahe und Glan - auch ein
Flächenkirchenkreis, getrennt durch dichtbewaldete Hunsrückhöhen von Simmern-Trarbach,
mit knapp 60.000 Gemeindegliedern - fusionieren - (der ebenfalls benachbarte
Flächenkirchenkreis Koblenz mit ca. 85.000 Gemeindegliedern dürfte kaum ein
Interesse an einer Fusion haben). Das Ziel einer optimalen Verwaltung in einem
Kirchenkreis wäre erreicht.

Doch was wäre der Preis? Ein intaktes
Gebilde, das vorbildlich Kooperationsstrukturen realisiert hat in einem
jahrzehntelangen, manchmal auch mühsamen Prozess, würde zerschlagen. Einmal
mehr wird deutlich, das manche Kirchenreformer den Aspekt, dass Kirche im
wesentlichen Kommunikation, Interaktion und Beziehungsgeschehen darstellt, zum
Schaden dieser Kirche ausblenden. Eine Vielzahl von haupt- und ehrenamtlich
Engagierten würde wertvolle Zeit, bei den Hauptamtlichen teure Arbeitszeit, in
deutlich erhöhtem Umfang im PKW verbringen, was u.a. zu Lasten der
Beziehungsarbeit vor Ort in den Gemeinden geht. Nur am Rande sei vermerkt, dass
eine solche, durch Fusionen erzwungene Mobilität erhöhte CO²-Emissionen zur
Folge hat. Da ziemlich viele mikroökonomisch betriebswirtschaftlich orientierte
Personen in Politik und Wirtschaft so drauf sind und ausgerechnet mit dem
Argument des demographischen Wandels, der um der Menschen willen eigentlich
nach dezentralen Strukturen verlangt, alles mögliche zusammenlegen und
fusionieren wollen, ist das in der Summe ein echtes Problem für unser Klima und
unsere Umwelt. Wer solche Konzepte zu Lasten der Umwelt und der Beziehungen vor
Ort umsetzt, sollte jedenfalls deutlich defensiver mit den Leitbegriffen des
konziliaren Prozesses Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung
umgehen. (Vgl. hierzu den Beitrag: Ein Planet vor der Pleite http://www.zwischenrufe-diskussion.de/pages/politisches/ein-planet-vor-der-pleite.php).

Wer intakte, vitale Gebilde wie den
Kirchenkreis Simmern-Trarbach, der in vielem immer noch als
ausstrahlungskräftiges Vorbild und Modell dienen könnte, in Frage stellt und in
Fusionen nötigt mit dem fragwürdigen Argument, nur so könne eine effiziente
Verwaltung gesichert werden, der setzt sich dem Verdacht aus, eine andere
Kirche zu wollen - eine Kirche, die sich orientiert an dem an vielen Stellen
nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten „reformierten“ öffentlichen Dienst.
Im Übrigen ist die Causa Simmern-Trarbach ein Beispiel dafür, wie sich die
unterschiedlichen Reformbaustellen gegenseitig in Frage stellen und
konterkarieren können. Parallel werden im Augenblick die Themen
„Personalplanung“ und „Verwaltungsstrukturreform“ diskutiert. Bereits hierbei
erstaunt die fehlende Kohärenz der Reformüberlegungen.

 

Einige Anfragen an die bisher vorliegenden Vorstellungen zu Verwaltungsstrukturreform und zur Personalplanung

Dass die Kirchenkreise als mittlere Ebene gestärkt und im Blick auf die
Personalplanung Steuerungsebene sein sollen, entpuppt sich bei genauerer
Betrachtung als Legende mit relativ geringem Wahrheitsgehalt. Hier gilt wieder:
gerade auch die Kirchenkreise, die die Vorstellung „ein Kirchenkreis - eine
Verwaltung“ umgesetzt haben, sollen durch gesetzliche Vorgaben genötigt werden,
eine Mindestpersonalausstattung vorzuhalten - sehr detailliert fordert die
Vorlage der Fa. Kienbaum eine bestimmte Anzahl von Vollzeitstellen für die
einzelnen Arbeitsbereiche der Verwaltung. Reicht die Finanzkraft nicht aus,
diese Anforderungen zu erfüllen, soll im „Idealfall“ eine Fusion mit einem
Nachbarkirchenkreis stattfinden oder zumindest mit diesem ein gemeinsames
Verwaltungsamt betrieben werden. Die Kirchenkreise haben ganz offenkundig bei
der Personalplanung, zumindest was die Verwaltung angeht, nicht mehr viel zu
melden.

Eine ähnliche Tendenz gab es bereits bei den
Pfarrstellenverteilungsrichtlinien, die von der Kirchenleitung im Mai 2008
beschlossen wurden. Eine Stärkung der mittleren Ebene wäre es gewesen, den
Kirchenkreisen ein Kontingent an nicht-refinanzierten Pfarrstellen zuzuweisen
und diesen die Verteilung selbst zu überlassen. Aktuell erfolgt die Steuerung
des Pfarrdienstes bis in die Gemeinden hin durch die Personalplanungskonferenz
(Kollegium des LKA + Superintendent/innen), also durch die Landeskirche. Eigene
Akzente können die Kirchenkreise lediglich dadurch setzen, indem sie im
Rahmenkonzept für den Pfarrdienst die Relation von Gemeindepfarrstellen und
nicht-refinanzierten Funktionspfarrstellen 
festlegen.

Offenbar gibt es bei einigen Akteuren auf der Ebene der Landeskirche
die Sehnsucht, die Personalplanung nicht nur beim Pfarrdienst und bei der
Verwaltung, sondern auch bei den anderen Berufsgruppen durch die
Personalplanungskonferenz zu steuern. Dies wäre dann in der Tat ein Angriff auf
die Finanzautonomie der Kirchenkreise, die nicht mehr souverän der jeweiligen
Situation angemessen entscheiden könnten, wo sie mit welchem Personal
Schwerpunkte setzen, sondern landeskirchlichen Vorgaben folgen müssten.

Die bisher bekannten Vorstellungen zur Verwaltungsstrukturreform gehen im
Blick auf die Personalplanung genau in diese Richtung.

Es stellt sich die Frage, was die Verwaltung als gewiss wichtiges
Arbeitsfeld in unsere Kirche dazu qualifiziert, im Blick auf die
Personalplanung eine derart profilierte Sonderbehandlung zu erfahren. Hat man
hier einen neuen „Schlüsselberuf“ in unserer Kirche entdeckt?

Ein weiterer, ziemlich elementarer Punkt löst bei Vielen, die
Verwaltungserfahrung haben, Kopfschütteln aus: Wie kann man eigentlich auf die
Idee kommen, die Umstellung auf NKF, die die Verwaltungen erheblich fordern
wird und eine großangelegte Verwaltungsstrukturreform nahezu zeitgleich
durchzuführen? - Bis 2015 soll die NKF-Umstellung abgeschlossen sein, nach den
bisherigen Vorstellungen bis 2017 die Verwaltungsstrukturreform. Dies ist ein
erneuter Hinweis auf die mangelhafte Kohärenz der unterschiedlichen
Reformprojekte.

 

Der Grundkonflikt: Leitung durch gesetzlichen Zwang oder durch Kommunikation?

Rekowski war erstaunt über die von ihm wahrgenommene Vertrauenskrise.
Am Anfang stand allerdings eine Misstrauenserklärung gegenüber der kirchlichen
Basis, die von der Landeskirche ausging. 2005 formulierte die landeskirchliche
Arbeitsgruppe zur presbyterial-synodalen Ordnung in ihrer Vorlage für die
Landessynode vom Januar 2006 unter der Überschrift „Problembeschreibung“
bereits folgende Sätze:

  • „Immer mehr Kirchengemeinden sind organisatorisch,
    fachlich und finanziell mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben überlastet.“
  • „Kirchengemeinden tun sich schwer, auf weitgehende
    Kooperationen zuzugehen.“
  • „Mitglieder der Presbyterien und der synodalen
    Leitungsorgane stellen fest, dass sie den zeitlichen Belastungen und
    schwierigen Entscheidungssituationen persönlich und fachlich nicht gewachsen
    sind. Es wird immer schwieriger, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für
    kirchliche Ämter und Funktionen zu gewinnen.“
  • „Pfarrerinnen und Pfarrer sind häufig nicht in der
    Lage, die vielfältigen Leitungsaufgaben zu erfüllen, oder sie haben wenig
    Interesse an transparenter, kommunikativer und gemeinsamer Gemeindeleitung.“
  • „Die Mitglieder kirchlicher Gremien reiben sich in
    immer neuen, ergebnislosen Gesprächen auf.“

Diese Sätze zeugen nicht gerade von Vertrauen gegenüber den
Presbyterien und gegenüber der Pfarrerschaft. Sie dienen vielmehr als
Begründung dafür, warum man die Uneinsichtigen, Unwilligen und Unfähigen an der
Basis durch gesetzliche Regelung an die Kandare nehmen muss.

Wer so den Diskurs eröffnet, darf sich nicht wundern, wenn die
kirchliche Basis darauf ebenfalls mit Misstrauen und Widerstand reagiert und
viele die Faust in der Tasche machen, wenn Vertreter der Landeskirche von einer
„Kultur der Wertschätzung“ reden. Wertschätzende Rede wird in dem Moment bis
heute abgelöst von einer diskriminierenden und verletzenden Pauschalisierung,
wenn die Notwendigkeit von neuen gesetzlichen Regelungen begründet wird. Der
defizitorientiert Ansatz des gesamten Reformprozesses ist das Gegenteil von
Wertschätzung und Vertrauen gegenüber Presbyterien, kirchlichen
MitarbeiterInnen und Kreissynoden.

Wie in jeder Großorganisation gibt es auch in die Ev. Kirche im
Rheinland Missstände. Tatsache ist auch, dass Kreissynodalvorstände,
SuperIntendentInnen oder die Kirchenleitung hiermit in konzentrierter Form
konfrontiert werden. Menschlich kann man die Sehnsucht manches Superintendenten
nach gesetzlicher Handhabe gegenüber Sturköpfen oder Nachlässigen in den
eigenen Reihen sogar verstehen. Zu beachten ist allerdings, dass sowohl mit der
Begründung für neue gesetzliche Regelungen wie auch durch diese selbst
engagierte, vitale Gemeinden, pflichtbewusste und kreative Pfarrerinnen, sowie
kompetente Presbyterien und Kreissynoden mit betroffen sind. Es ist gewiss
mühsamer und anspruchsvoller, dass Gespräch dort zu suchen, wo die Dinge nicht
in die richtige Richtung laufen und hierbei auf die eigene Überzeugungskraft zu
vertrauen. Vor allem aber richtet diese Methode der Leitung durch Kommunikation
und Überzeugung keine Schäden dort an, wo engagierte Menschen in unserer Kirche
ihre Arbeit tun.

Dass eine Kirche rechtlicher Regelungen bedarf, ist keine Frage. Recht
sollte allerdings vorrangig Grenzen setzen und einen Rahmen vorgeben, innerhalb
dessen sich kirchliches Leben entfalten und auch Alternativen jenseits des
Mainstreams entwickeln kann. Unsere Kirche ist auf einem anderen Weg. Allein
der gewachsene Umfang der Rechtssammlung macht deutlich, dass die
Regulierungsdichte enorm zugenommen hat. Rechtliche Regelungen werden nun
gefordert, um die Voraussetzungen zu schaffen, mit einer zuvor unbekannten
Intensität ins operative Geschäft der einzelnen Gemeinde und des einzelnen
Kirchenkreises eingreifen zu können. Wenn gestandene Presbyterinnen und
Presbyter das als Bevormundung empfinden und äußern: „Die da oben in Düsseldorf
wollen uns immer mehr vorschreiben, was wir zu tun und zu lassen haben!“ darf
man sich nicht wundern.

Die Bibel gibt eine andere Richtung vor und schreibt denen, die unsere
Kirche leiten ins Stammbuch:

Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund;
nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde.

1. Petrus 5,2.3

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© Manfred Alberti

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