Anmerkungen von Dr. Theissen (Uni Greifswald)
Einen ausführlichen Artikel vom November 2012 von Dr. Theissen zur Verwaltungsstrukturreform finden Sie in dem neuen gedruckten Infobrief 19.2011 des Ev. Pfarrvereins im Rheinland (www.epir.de)
I. Abweichungen der DS 19 gegenüber dem
Drucksachenentwurf (Ew.) vom 21.10.2011:
a) formal:
Bericht über die
weiteren Beratungen seit 21.10.2011
b) inhaltlich:
1. Gründe für die
Einheit von Kirchenkreis und Verwaltungsbereich
DS 19, S. 25 (vgl.
Ew. S. 16):
Als weiterer Grund
für die Einheit von Kirchenkreis und Verwaltungsbereich wird die
Zusammenfassung von Suptur und kreiskirchl. Verwaltung geltend gemacht.
2. Diskussion über
die Feststellung der zu erwartenden Kosten
DS 19, S. 42f. (vgl.
Ew. S. 30):
Hier schlägt sich
eine zwischenzeitlich geführte „Diskussion über die Feststellung von zu
erwartenden Kosten“ (DS 19, S. 43) nieder. Weiterhin wird die mit der Vielfalt
von kreiskirchlicher Wirklichkeit gegebene Schwierigkeit betont, solche Kosten
festzustellen. Wichtig sind zwei eher nebenbei geäußerte Feststellungen:
Es müsse
„festgehalten werden, dass mit der
Verwaltungsstrukturreform in den meisten Regionen vorhandene Arbeitsbereiche
zwar neu strukturiert werden, nicht aber vollkommen neue Aufgaben geschaffen
werden“ (DS 19, S. 43).
Es würden mit
„den vorliegenden Vorschlägen keinerlei Vorgaben für Personalbemessung oder
Qualifikation von Mitarbeitenden gemacht. Der vorgelegte Qualitätsrahmen
entlässt die Kirchenkreise von daher in keiner Weise aus ihrer Verantwortung,
die Kosten von Verwaltung genau zu prüfen und bietet ausreichend
Gestaltungsspielraum für entsprechende Maßnahmen“ (DS 19, S. 43).
3. Mögliche Ausnahmen von der Strukturreform
DS 19, S: 45 (vgl. Ew., S. 31):
Die Möglichkeiten von Ausnahmen werden
präzisiert, und zwar im Sinne von Verfahrensvorschriften:
„So muss vor
einer Entscheidung der Kirchenleitung die Zustimmung von Finanzausschuss und
Innerkirchlichem Ausschuss vorliegen, insofern eine verstärkte synodale
Mitwirkung gewährleistet sein.
Die einzelnen
Voraussetzungen sind so gestaltet, dass jeweils nur eins der wesentlichen
Qualitätskriterien außer Acht gelassen werden darf.“ (DS 19, S. 45)
II. Kommentar
Von den nur wenigen
Änderungen dürfte Pkt. 2 (zur Frage der Kostensituation) der ergiebigste
sein.
Beschluss 40 der
Landessynode 2011 verbindet mit der Verwaltungsstrukturreform drei Ziele, die
auf (a) Effizienz der kirchlichen Verwaltung im Sinne einer (b) Kostensenkung
bei gleichzeitigem (c) Qualitätserhalt hinauslaufen.
Im Unterschied zu
diesen Beschlusszielen räumt Drucksache 19 zur Landessynode 2012 dem Prinzip
der Einheit von Kirchenkreis und Verwaltungsstruktur die erste Priorität
ein, wie besonders die „Grundsatzentscheidungen“ (DS 19, S. 21ff.) zeigen.
Warum, das verdeutlicht vor allem der Abschnitt zur „Kostenkontrolle“. Demnach
ist schon eine zuverlässige Kostenschätzung angesichts der von Kirchenkreis zu
Kirchenkreis unterschiedlichen Verwaltungssituation gar nicht möglich, wenn
nicht zuerst die Struktur der Verwaltung auf Kirchenkreisebene vereinheitlicht
wird.
Diese Argumentation
verwechselt jedoch erste Ziele mit obersten Zielen. Das wird besonders
deutlich, wenn sich im Abschnitt „Kostenkontrolle“ das Ziel der Kostensenkung
zu einer bloßen Bezifferung der Kosten verschiebt:
„Die Maßnahmen, die hier vorgeschlagen werden, sollen dazu dienen,
Transparenz in der Kostenentwicklung zu erhalten, die es Leitungsorganen ermöglicht
zu entscheiden, ob verantwortlich in der Verwaltung Kosten reduziert werden
können.“ (DS 19, S. 44 = Ew., S. 30)
Eine Kostensenkung ist hier nicht mehr das
primäre Ziel des landeskirchlichen Reformprozesses, sondern wird in einen
nachgeordneten Prozess in der Verantwortung von Gemeinden und Kirchenkreise
verlagert. Diese (Gemeinden und Kirchenkreise) stehen dabei freilich unter den
Sachzwängen, die mit der landeskirchlichen Strukturreform zuvor geschaffen sein
werden. So befinden sich die seit dem Entwurf vom 21.10.2011 vorgenommenen
Ergänzungen der Drucksache, die für die Kirchenkreise und Gemeinden
„Gestaltungsspielraum“ bei der „Personalbemessung“ und bei den Anforderungen an
die „Qualifikation von Mitarbeitenden“ reklamieren (DS 19, S. 43), im Widerspruch
zu vorweg gefällten Entscheidungen des landeskirchlichen Reformprozesses wie
der Mindestgröße von Verwaltungseinheiten und der Bindung von Pflichtaufgaben
an hauptamtliche Verwaltungsmitarbeiter.
III. Empfehlung:
1. Es ist angesichts dieser Problematik
konsequent und unterstützenswert, wenn etliche Anträge von Kreissynoden
(z.B. KK Köln-Mitte, Köln-Rechtsrheinisch, Köln-Süd, Moers) von der LS 2012
fordern, vor dem Ergreifen konkreter Maßnahmen („erste Ziele“) zur
Verwaltungsstrukturreform zunächst deren konkreten Einspareffekt („oberstes
Ziel“) möglichst genau zu beziffern. Das Argument von DS 19, wonach dies
nicht möglich oder nicht erstrebenswert sein soll, ist fehlerhaft und beruht
auf einer wohlfeilen Gleichsetzung von ersten mit obersten Zielen.
Kreissynodale Anträge, die im Sinne eines
Maximalantrags die Aussetzung der Reformmaßnahmen oder die Durchführung eines
Proponendums fordern, sollten sich den Anträgen der genannten Kreissynoden
anschließen können.
2.
Sofern die geplanten Reformmaßnahmen beschlossen werden, sollte (mit der
entsprechenden, nach dem 21.10.2011 vorgenommenen, Ergänzung der DS 19, S. 43)
sicher gestellt sein, dass die neue Verwaltungsstruktur nicht „vollkommen neue
Aufgaben“ schafft, die der Beschäftigung der Verwaltung mit sich selbst dienen
(z.B. ein DS 19, S. 31 = Ew., S. 21 genanntes, „systematische Auswerten von
Presbyteriumsprotokollen“).
Dr. Henning Theißen, 22.12.2011