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Bundesgartenschau: Der Kampf zwischen Träumen und Realität

 

Wuppertal und Duisburg sind mittlere Großstädte in NRW. Sie leben immer in dem Gefühl, von den richtigen großen Städten Düsseldorf, Köln oder Essen erdrückt zu werden. So sind sie froh, wenn sie die Gelegenheit bekommen, einmal über diese Großen hinauszuwachsen.

Bei solchen Träumen wird dann die Realität gerne schöngeredet. Duisburg träumte von einzigartigen Chance der Loveparade, die man auf jeden Fall als Nachfolger von Berlin bekommen wollte. Wuppertal malt sich die Bundesgartenschau wunderschön aus. Dass dann leicht die Dimensionen übersehen werden, was eine mittlere Großstadt mit ihren Infrastrukturen schaffen kann und was nicht, kann schwerwiegende Folgen haben. Duisburgs Erfahrungen mit der Love-Parade sollten auch für Wuppertal ein warnendes Beispiel sein, wenn Träume und Infrastruktur nicht zueinander passen.

Bei den Diskussionen in Duisburg, wie man innerhalb von drei Stunden eine halbe oder eine Millionen Menschen durch einen 25 Meter breiten Tunnel auf das Veranstaltungsgelände bringen kann, hat man die Realität beiseite gerechnet und von den Träumen gelebt, dass es schon irgendwie gehen würde. Drei Stunden sind 180 Minuten oder 10800 Sekunden. Damit müssten in jeder Sekunde (!) 50 oder 100 Menschen plus Gegenverkehr durch den Tunnel gehen können. Absolut unmöglich. Eine leicht vorhersehbare Katastrophe. Ein absolutes Stoppsignal für die Love-Parade hätte eigentlich die Folge sein müssen. Aber die Politik wollte die Love-Parade, zum Ruhme Duisburgs.

Der Wuppertaler Rat hat im November 2021 den Grundsatzbeschluss zur Bewerbung um die Bundesgartenschau 2031 getroffen. Fünf Jahre lang wurde überlegt und geplant, aber die schon lange öffentlich einsehbare Kritik an den Machbarkeitsstudien wurde nicht wahrgenommen. Vor allem die Infrastruktur des Verkehrswesens in Wuppertal ist nicht geeignet für eine Buga.

Nachdem der Beschluss gefasst worden ist, dürfen endlich auch die Kritiker der Bundesgartenschau zu Wort kommen. In einer Online-Podiumsdiskussion, veranstaltet von der SPD und hörbar auf Youtube, konnte ich am vergangenen Mittwoch (20.01.2022) wenigstens etwas Kritisches zur Bundesgartenschau äußern. Fünf Befürworter und ein Gegner, da waren die Gewichte klar verteilt.

Aber immerhin. Nachdem die CDU mich vor einigen Wochen um ein kritisches Gespräch gebeten hatte und die Bürgerinitiative Königshöhe mit ihren Spaziergängen über die Königshöhe medial sehr präsent ist, sind nicht mehr alleine Leserbriefe Ausdruck einer kritischen Haltung zur Buga. Das Bürgerbegehren der Bürgerinitiative Königshöhe (www.buga-so-nicht.de) wird in der Politik als realistische Bedrohung der Buga-Planungen wahrgenommen.

Eigentlich ist diese erst sehr späte Beschäftigung mit kritischen Fragen sehr schade. In der Wirtschaft würde eine Geschäftsführung umgehend entlassen, die den Mitarbeitern ein Projekt vorstellt, aber sie gleichzeitig verpflichtet, vorerst über alles Kritische bei diesem Projekt zu schweigen. Nur positive Rückmeldungen seien erlaubt. Doch in der Wuppertaler Politik der vergangenen fünf Jahre scheint das eine normale Vorgehensweise zu sein: Über die Seilbahn wie über die Buga nichts Negatives, sondern nur begeisterte Zustimmung zu den Träumen.

Wuppertal hat wohl aus den Duisburger Erfahrungen nichts gelernt. So werden Hinweise auf Probleme als unwichtig oder weit hergeholt abgetan. Damit müsse man sich heute nicht beschäftigen. In den zehn Jahren bis 2031 würden sich schon Lösungen finden lassen. Außerdem wäre es ja noch völlig unklar, wie und wo und mit welchen Schwerpunkten die Buga überhaupt stattfinden solle.

Dabei dürften einige Eckpunkte heute schon sicher sein: Hauptziel der Buga ist die Werbung für Wuppertal, ein gutes Image und die Einladung zu neuen Wuppertal-Besuchen. Drei Hauptareale wird es geben: Tesche, Zoo und Brücke. Und zwischen 5000 und 40 000 Menschen werden 2031 täglich erwartet. Zwei Millionen Menschen, die einen fröhlichen und stressfreien Tag erleben möchten. Manche Förderer träumen sogar von drei Millionen. Morgens im Hauptareal Tesche und nachmittags im Zoo und auf der Hängeseilbrücke oder umgekehrt.

Aber wie überwinden sie die zwei Kilometer dazwischen? Und hier liegt ein schwerwiegendes Hauptproblem. Mit einer neu zu bauenden Brücke über die Bahngleise soll eine direkte Verbindung vom Areal I Tesche zur Schwebebahnstation Bruch geschaffen werden. Dabei werden sicher viele der älteren Besucher nicht glücklich sein, dass sie hier an Höhenunterschieden mehr als zehn Hochhausetagen überwinden müssen.

Doch die Vorfreude auf die Schwebebahn dürfte bei vielen Besuchern überwiegen. Ob diese Vorfreude aber lange anhält, ist fraglich. Denn wenn in den zwei oder drei Stunden mittags je 20 000 Menschen in jede Richtung mit der Schwebebahn fahren wollen, wird es schwierig: Jede Bahn fasst 130 Fahrgäste. Alle drei Minuten kommt eine Bahn. Damit können pro Stunde 2600 Personen transportiert werden: mit Buga-Gäste wie mit den normalen Wuppertaler Fahrgästen. Lange Schlangen auf der Kaiserstraße vor der Station Bruch mit Enttäuschungen und Frust bei vielen werden die leicht absehbare Folge sein. Schade für einen Tag, der eigentlich Werbung für Wuppertal sein sollte. Dabei werden schon morgens viele Besucher in den Reise- oder Shuttlebussen sich geärgert haben über den langwierigen Stopp - and - Go Verkehr von der Autobahnabfahrt bis zum Zoo oder zum Vohwinkler Bahnhof.

Dass die DB einen Pendelverkehr zwischen Hauptbahnhof und Vohwinkel einrichten kann, ist nur eine halbe Lösung. Die meisten Besucher werden sich auf die Schwebebahn als festen Programmpunkt gefreut haben.

Was bei der Buga in Erfurt 2021 durch die Messeinfrastruktur mit Parkplätzen und Straßenbahnen hervorragend klappte, wird in Wuppertal zum Desaster: Enttäuschung und Verärgerung bei den Besuchern über die schlechte Verkehrsinfrastruktur statt Freude auf einen nächsten Besuch in Wuppertal.

So wird das Hauptziel der Buga eines fröhlichen Tages in Wuppertal bei vielen Besuchern verfehlt: Die Realität wird viel enttäuschender sein als die schönen Träume von einem fröhlichen Fest.

Verärgerung aber nicht nur bei den Besuchern: Verärgerung auch bei den Vohwinklern über ein halbes Jahr Verkehrschaos und überfüllte Schwebebahnen, Verärgerung bei den Bewohnern im Zooviertel, an der Hindenburgstraße, am Nützenberg und im Briller Viertel über zehn Jahre starken Parksuchverkehr bei ihnen, weil es für die Touristen zur Attraktion Hängeseilbrücke keine Parkplätze geben wird.

Ein Entschwinden in schönen Träumen wird leicht zum harten Absturz führen, wenn man sich nicht von vorneherein mit den vielen Problemen beschäftigt und sie löst.

Zum Beispiel mit den Finanzen: 70 Mio. € kostet die Buga mindestens, finanziert aus den freien Mitteln des Wuppertaler Etats. Jährlich sieben Millionen € sind genau zehn Prozent der Mittel, die normalerweise für Sportvereine, soziale und kulturelle Organisationen, Schulausrüstung, Kinderbetreuung, Jugendarbeit usw. ausgegeben werden. Das sind alles Dinge, die nicht zwingend durch Gesetz vorgeschrieben sind, die aber gerade der eher ärmeren Bevölkerungshälfte in Wuppertal das Leben erleichtern. Aus diesen Mitteln sollen nun jährlich zehn Prozent für die Buga entnommen werden. Also werden gerade die ärmeren Wuppertaler die Buga finanzieren: die Menschen, die selbst die Buga nicht besuchen, da sie sich die Eintrittspreise von ca. 40 bis 50 € nicht werden leisten können.

Noch ein anderes problematisches Schwergewicht der Planungen ist die Hängeseilbrücke. Könnte die Brücke hoch über der Stadt und der vielbefahrenen Talachse nicht auch tragischerweise ein überregional attraktiver Anziehungspunkt mit großer öffentlicher Beachtung für Suizidwillige werden, wie es vor Jahrzehnten einmal die damals noch ungesicherte Blombachtalbrücke in Ronsdorf war? Wie steht Wuppertals Buga dann in der Presse da, wenn nach drei Selbstmorden die Boulevardpresse über die "Todesbrücke von Wuppertal" statt über die bunte Buga schreibt? Ist das so abwegig? Ich glaube nicht und ich mag mir auch nicht vorstellen, dass diese Brücke dann mit hohen Gittern oder nach innen gebogenen Stäben wie eine Gefängnisbrücke gesichert werden kann.

Es nützt überhaupt nichts, wenn die Buga politisch durchgezogen werden soll und solche Befürchtungen als "abwegig" betrachtet werden. Das Vertrauen, dass alles wohl irgendwie klappen wird, hat auch schon in Duisburg nicht getragen.

Über noch andere risikoreiche oder problematische Aspekte der buga31 können Sie auf meiner Homepage "www.manfredalberti.de" Informationen nachlesen.

Bei der Online-Diskussion am vergangenen Mittwoch wurde über "Bedenkenträger" geklagt. Ich ziehe mir diesen Schuh gerne an, denn ich bin der festen Überzeugung, dass ohne intensive Auseinandersetzung mit allen vorgebrachten Bedenken, Risiken und Gefahren kein Projekt gelingen kann, auch keine Buga. Traumschlösser ohne Probleme gibt es nur im Märchen oder im Schlaf.

Die Realität verlangt das frühzeitige Auseinandersetzen mit allen negativen und kritischen Aspekten. Darauf müssen Antworten gesucht und gefunden werden. Sonst sollte man die Finger von einem noch so traumhaft schönen Projekt lassen. Bei der Love-Parade in Duisburg hatte man die Bedenkenträger nicht ernst genommen und die Katastrophe nahm ihren vorhersehbaren Verlauf. Davon sollte die Politik in Wuppertal lernen.

 

 

(Veröffentlichung in WTOTAL am 31. Jan 2022)

 

 

 

 

 

 

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© Manfred Alberti

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