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Deutschland auf den Kopf gestellt und die Kirche schweigt

 

Leserbrief für das Deutsche Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt:
Fassung des Abdrucks Pfarrerblatt 05.2025 (21.05.2025)
 
Deutschland auf den Kopf gestellt - und die Kirche schweigt
 
Eine solche Rat- und Hilflosigkeit wie in den letzten Wochen habe ich in meinem Leben noch nie erlebt. In der Politik wird von einem Tag auf den anderen alles auf den Kopf gestellt und niemand wehrt sich. 
 
Da fällt der zerstörerische Klotz eines 1,3 Billionen € Militärpakets wie ein riesiger Meteorit auf unser Land und zerstört alles, was an Hoffnungen auf mehr Frieden, auf mehr soziale Gerechtigkeit, auf mehr Hilfe für Kinder, auf mehr Kampf gegen Armut, auf mehr Hilfe für die Dritte Welt und auf mehr Engagement gegen die Klimazerstörung gerichtet war. Die Hochrüstung zur Kriegsbereitschaft gegen die "Russen" soll offensichtlich die vorrangige Zukunftsaufgabe unseres Landes werden.
 
Wo bleibt da das Wort der Kirche? 
"Frieden schaffen ohne Waffen!" und "Schwerter zu Pflugscharen" waren einmal fast Glaubensbekenntnisse vieler Christen in Ost und West. Nächstenliebe bleibt der Kern christlichen Glaubens.
Waren wir vor dreißig Jahren nicht alle froh, dass endlich der Kalte Krieg überwunden war, dass zarte Pflänzchen von Städtefreundschaften, von Schüleraustausch, von wirtschaftlichen, kulturellen, touristischen und freundschaftlichen Beziehungen zu den Menschen hinter dem Eisernen Vorhang zunahmen, und die Einigkeit der Völker von der Mitte Europas aus wuchs, langsam aber stetig?
 
Wo bleibt da das Wort der Kirche? Haben die Kirchenleitungen vergessen, wie viele Christen und Kirchenleitungen sich persönlich für Frieden und Freundschaften über trennende Ostgrenzen hinweg engagiert haben?
 
Die Zukunft Deutschlands wird durch das Militär geprägt
Jahrzehntelang konnte man so ziemlich alle Probleme ergebnisoffen diskutieren und nun das: Die Zukunft Deutschlands wird durch das Militär und seinen Bedarf an Geldern geprägt. Punktum! Diskutiert wird darüber nicht. Diese Hochrüstung gegen Russland sei nötig und deshalb undiskutierbar.
Ist die schlimme Erinnerung vergessen, dass die Kirche 1933 mehr als ein Jahr brauchte, bis sich mutige Christen offen gegen die "Undiskutierbarkeit" des Glaubens an den Führer zur Wehr setzten?
Wir Bürger haben gerade gewählt. Vor der Wahl war mit keinem Wort davon die Rede, dass unendliche Gelder für eine militärische Aufrüstung zur Verfügung gestellt werden müssten. Ein weiterer Wumms, dreizehnmal so groß wie der überraschende 100 Milliarden Wumms von Kanzler Scholz. 800 Milliarden € für das Militär und 500 Milliarden € für die Infrastruktur.  Infrastruktur, das klingt zwar nach Straßen und neuen Schulen. Doch gemeint ist dabei wohl vor allem die Infrastruktur für das Militär: tragfeste Straßenbrücken für schwere Panzer, Bahnstrecken gen Osten zum Aufmarsch gegen Russland, Flachwaggons zum Transport militärischen Geräts, Hafenanlagen und Flugplätze für Deutschland als kommendem Drehkreuz für den Dritten Weltkrieg.
Kann man die Ehrlichkeit vor der Wahl nicht wenigstens als demokratische Pflicht einfordern und Unwahrhaftigkeit lautstark rügen? 
 
Nicht Verteidigungsfähigkeit, sondern Kriegstauglichkeit!
(Und weil die Politiker nach den für sie desaströsen Wahlen ahnten, dass das zukünftige Parlament nicht mehr so begeistert himmelhohe Militärausgaben verabschieden würde, änderte das abgewählte Parlament kurz vor dem Amtsantritt der neuen Regierung kurzerhand das Grundgesetz und beschloss militärische Ausgaben von 1,3 Billionen €, dem fast dreifachen eines Jahresetats des Bundes. Der Militäretat bekommt nach oben hin keine Grenze.
 
Wo bleibt da das Wort der Kirche? Ist das noch demokratisch? Eine abgewählte Regierung will durch Tricks bewusst die Politik der kommenden Jahrzehnte prägen!
 
Was ist da passiert? Ich habe sehr lange gebraucht, um halbwegs das Ganze zu verstehen. Am Anfang nach den Wahlen war ich völlig sprachlos. Wie kann man auf einmal nach einer verlorenen Wahl fast unendliche Ausgaben für das Militär beschließen? Ohne Ankündigung, ohne Diskussion, ohne Bitte um Verständnis bei der Bevölkerung. Und es gibt so gut wie keine Medien, die protestieren. 
 
Und) Man suggeriert, dass alle Bürger vorbehaltlos zustimmen: "Ja, angesichts der kriegslüsternen Russen müsse das so sein!" Doch eine massive Kampagne von angstverbreitenden Notwendigkeiten für die Kriegstauglichkeit scheint nötig zu sein, um die Bevölkerung zu überzeugen. "Sonst steht morgen der Russe in Berlin!" Und man spricht nicht mehr von Verteidigungsfähigkeit, sondern von Kriegstauglichkeit! Egal, dass das Grundgesetz nur die Rüstung zur Verteidigungsfähigkeit erlaubt, aber Kriegstauglichkeit gegen die Verfassung verstößt.
Wo bleibt da das Wort der Kirche? Wenn selbst die Presse unkritisch eine solche Politik unterstützt, müsste dann die Kirche nicht lautstark rufen "Halt!". Kirche könnte daran erinnern, dass in den 1920er Jahren die lange geschürte Furcht vor den Russen, vor dem "Bolschewismus" oder "Kommunismus", dem autoritären Führer des Dritten Reichs den Weg bereitet hat.
Solche Riesenkredite für Kriegsgeräte haben Folgen: Jährlich müssen zig Milliarden an Zinsen bezahlt werden. Auf wessen Kosten? Die Ausgaben für Soziales, Bildung, Kultur, Sport etc. werden radikal gekürzt werden müssen. Und da das bei weitem nicht reichen wird: Unsere Kinder und Enkel werden ungefragt zu denjenigen, die sich unsere heutigen Kriegskredite später vom Mund absparen müssen.
Müsste die Kirche da nicht im Namen der Armen, der Sprachlosen und Ohnmächtigen in unserem Land ihre Stimme laut erheben, um soziale Gerechtigkeit statt Kriegsbereitschaft zu fordern?
 
Diskutiert wird nicht
Diskussionen sind unerwünscht. 
(Das Volk könnte andere Vorstellungen haben als die Regierung. Und da bewährt es sich, dass man in den letzten Jahren politische Diskussionen den Bürgern abgewöhnt hat. Denn über "Selbstverständlichkeiten" müsse und dürfe man nicht diskutieren: Die Russen seien eben böse, die Ukraine sei ein friedliebendes Land, Israel sei im Recht gegen die Palästinenser, Impfen gegen Corona sei Bürgerpflicht und mit der AfD dürfe man nicht sprechen. Und jetzt zeigt sich der "Erfolg" dieser Strategie der Diskussionsverweigerung: Die AfD ist stärkste Kraft in Deutschland.)
 
Und wo bleibt da die Kirche? Ist sie nicht mehr so stark, dass sie breite Diskussionen einfordern kann? Müsste die Kirche nicht laut protestieren, wenn mit der Bevölkerung nicht mehr diskutiert wird, sondern man einen totalen Politikwechsel in wenigen Tagen autoritär durchsetzt? Kann sie nicht wenigstens mit den eigenen Medien solche Diskussionen bei der einen christlichen Hälfte des Volkes bestärken, wenn die Presse versagt? Trauen sich unsere Kirchenleitungen nicht mehr, dann zu protestieren, wenn Politiker ihre Macht ausbauen, ohne dass die Bürger das so gewollt haben und ohne dass sie mitreden können? Wenn ein bestimmtes politisches Handeln als undiskutierbare Notwendigkeit dargestellt wird, muss man erst recht diese vermeintlichen Undiskutierbarkeiten auf ihren Wahrheitsgehalt abklopfen.  
(Fing denn der Ukraine-Krieg wirklich mit dem Einmarsch der Russen am 24.02.2022 an? Oder hat es nicht vorher jahrelange Auseinandersetzungen gegeben: Z.B. mit den Minsker Verträgen als Zeitgewinn für Kriegsvorbereitungen? Auch der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern begann nicht erst mit dem Überfall der Hamas: Ein jahrzehntelanger Krieg tobte schon vorher.
Wo bleiben da die Worte der Kirchen? Die Kirchen sollten nicht übersehen, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung das baldige Ende des Kriegs in der Ukraine will. Nur zehn Prozent der Deutschen wären bereit, selbst in einen Krieg zu ziehen. Und die Mär von den bösen Russen sehen Millionen Deutsche aus eigener Erfahrung kritisch.)
Friedenswillige Kirchen könnten sicher sein, dass eine breite Mehrheit der Bevölkerung hinter ihnen stände: Frieden durch Verhandlungen und nicht Frieden durch jahrelange Hochrüstung. 
 
Pfarrer i.R. Manfred Alberti
 
Anmerkung: Kursiv und kleiner gedruckte Texte hat die Redaktion gekürzt.
 
 
 

 

 
 
 

 

 

 

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