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Artikel zur Zukunft der Presbyterien in der EKiR

Artikel in „Transparent“ Nr. 99
  2010

Manfred Alberti

Presbyterium Ade

Oder: Abschied vom Presbyterium als Leitung der
  Gemeinde

 „Herr Dr. Lehnert, zu ihrem Buch habe
  ich noch eine Frage: Ich vermisse bei Ihnen die Pfarrwahl durch die Gemeinde.
  Habe ich die übersehen?“  „Nein, nein, aber man muss ja auch nicht über
  alles schreiben.“

 

Ungläubig staunend lese ich in dem von Präses
  Nikolaus Schneider und dem leitenden Dezernenten für die Personalentwicklung
  Dr. Volker A. Lehnert herausgegebene Werk über das zukünftige Pfarrbild: Die
  für die rheinischen Gemeinden grundlegende Pfarrwahl in der Gemeinde durch
  das Presbyterium ist schon nicht mehr im Blickfeld der kirchenleitenden
  Personen. Abgeschafft und ersetzt durch Träume davon, wie gut doch eine
  Personalauswahl durch das Landeskirchenamt sein könne, wenn nur die Gemeinden
  präzise ihre Anforderungen an ihren zukünftigen Pfarrer oder ihre Pfarrerin
  definieren würden. (Schneider/Lehnert, Berufen – wozu? Zur gegenwärtigen
  Diskussion um das Pfarrbild in der evangelischen Kirche, Neukirchen 2010.)

Ein stabiler Pfeiler der Rheinischen Gemeinden
  wird demontiert: Die Pfarrwahl durch die Gemeinde. Wenn der Kirchenkreis die
  Pfarrer auswählt und Pfarrer angebunden wären beim Kirchenkreis, dann könnten
  die Pfarrer und Pfarrerinnen in Konfliktfällen unproblematisch versetzt
  werden. Dann könnten bei schwindenden Gemeindegliederzahlen die
  Aufgabenbereiche leichter neu zugeschnitten werden. Der KSV könnte, aus der
  besseren Übersicht heraus, welcher Pfarrer in den Kirchenkreis am besten
  passt, eine bessere Pfarrwahl treffen als die Gemeinden mit ihrem
  beschränkten Überblick: so hört man inzwischen landauf landab die Argumente,
  den Gemeinden die Wahl des Pfarrers oder der Pfarrerin zu entziehen.

Die Gemeinde, die sich bislang den Pfarrer
  gewählt hat, der 100 % zu ihr passt, diese Gemeinde muss in Zukunft voll
  Bangen und Hoffen erwarten, wen die Kirchenleitung ihr schickt. Mit einem
  resignierenden „Sich in das Schicksal Ergeben“, wie es vielen katholischen
  Gemeinden ergeht. Und ob die Zufriedenheit der katholischen Gemeinden mit den
  ihnen zugewiesenen Theologen Hoffnung macht, das wird mancher wohl zu Recht
  arg bezweifeln.

 Sprachlos macht da das Vertrauen der
  Kirchenleitung darin, dass die Gemeinden nur präzise genug beschreiben sollten,
  wen sie wollen: Dann könnte man den besten finden.  Als wenn eine
  Pfarrstelle dem Arbeitsplatz eines Forschers in der Pharmaforschung gleichen
  würde, für den man weltweit mit viel Geld den besten zur Verfügung stehenden
  Spezialisten sucht, der eine klar umrissene Aufgabe erfüllen muss.

 Dass ein Pfarrer vor allem auf die
  Akzeptanz und Sympathie einer Gemeinde angewiesen ist, damit er ehrenamtliche
  Mitarbeiter finden kann, damit die Gemeindeglieder freiwillig gerne seiner
  Predigt zuhören und ihn als ihren Pfarrer ansehen, das kann das beste
  landeskirchliche Auswahlprinzip nicht ersetzen: Wenn bei vielen Katholiken
  die Sonntagspflicht zum Gottesdienst ruft, dann ist das in evangelischen
  Gemeinden eine ganz freiwillige Angelegenheit: Und ein Pfarrer, den die
  Gemeinde nicht mag und den sie nicht selbst gewählt hat, wird das Leben einer
  Gemeinde bald zum Erlöschen gebracht haben.

Nach
  unserer Kirchenordnung Art. 15 ist das Presbyterium die Leitung der
  Gemeinde:

„( 1 ) Das Presbyterium leitet die
  Kirchengemeinde und fasst die dafür notwendigen Beschlüsse. Es trägt die
  Verantwortung für die Erfüllung des Auftrages der Kirchengemeinde gemäß Artikel 1.

( 2 ) Es sorgt für die erforderlichen
  organisatorischen, personellen und sachlichen Voraussetzungen.

( 3 ) Das Presbyterium ist verantwortlich für
  eine ordnungsgemäße Verwaltung der Kirchengemeinde.“

Das ist eigentlich mehr als nur ein Artikel
  der Kirchenordnung: Die Leitung durch das Presbyterium ist eine grundlegende
  Ordnung unserer Kirche und eine wichtige Grundlage unseres theologischen
  Selbstverständnisses.

Aber die im Rheinland kursierenden
  Vorstellungen zukünftiger Gemeinde- und Kirchenkreisstrukturen lösen
   noch viel mehr wichtige Teile aus dem Verantwortungs-bereich des
  Presbyteriums. So seien zum Beispiel genannt:

Die Personalhoheit:  Angesichts der immer
  kleiner werdenden Zahl von Jugendmitarbeitern gibt es wohl in einigen
  Kirchenkreisen, wie Wuppertal,  Überlegungen, die Jugendmitarbeiter am
  Kirchenkreis anzusiedeln und sie dann für ihre Aufgaben in einzelne Gemeinden
  zu entsenden. Ähnlich mit den Kirchenmusikern: Kaum eine Gemeinde leistet
  sich noch einen A-Kirchenmusiker. Damit dieser Berufsstand nicht ganz
  ausstirbt, wollen manche KSV-Mitglieder die Kirchenmusiketats der Gemeinden
  zusammenlegen, um daraus eine bestimmte Anzahl von hochqualifizierten
  Musikern zu bezahlen. Die Gemeinde verlöre ihre Personalhoheit über zwei
  weitere Bereiche, nachdem vor einigen Jahren schon der
  Gemeindeschwesternberuf ausgestorben ist, weil die Pflege den gesetzlichen
  Bestimmungen folgend nur noch von größeren Diakoniestationen geleistet werden
  kann.

Die Gemeindeämter: Auf einer ähnlichen
  Schiene, so hallt es durch die Landeskirche, laufen die Überlegungen zu einer
  Verwaltungsstrukturreform. Im Kirchenkreis Wuppertal erreichte gerade ein
  Antrag (noch) nicht die erforderliche Mehrheit, der darauf abzielte zu
  prüfen, ob sich nicht aus den Erfahrungen der jetzigen NKF-Umstellung die
  Folgerungen ergeben müsse, dass große Kirchenkreisämter effektiver arbeiten
  könnten und deshalb zwangsweise – nicht freiwillig - alle Gemeindeämter
  abzuschaffen seien. Dass große Ämter mit einer großen Hierarchie viel teurer
  sein müssen als kleine Ämter, übersehen die Verfasser solcher Pläne gerne:
  denn einige von ihnen dürften ja die Nutznießer an der Spitze des
  Stellenkegels sein. Die verlorene Gemeindenähe, die fehlende Kenntnis
  örtlicher und personaler Strukturen, umständlichen Verwaltungswege und die
  weichen Kosten, wie Fahrten in weit entfernte Verwaltungsämter, werden bei
  solchen Plänen gerne als unwichtig abgetan.

 Die Gebäude: Nun haben die Gemeinden ja
  Kirchen, Gemeindezentren, Häuser, Grundstücke, Garagen usw. Für Düsseldorf
  eine unübersehbare Vielfalt: Wie schafft man da Durchblick? Der Trick: Alle
  Gemeinden müssen eine Gebäudestrukturanalyse machen. Jede Kirche, jedes Haus,
  jede Garage wird dokumentiert, begutachtet, kartiert und in ein
  Computerraster eingetragen. Damit das nicht jeder nach eigenem Gutdünken macht,
  dürfen nur ein Dutzend kirchlich zugelassene Gutachter solche
  Gebäudestrukturanalysen erstellen und müssen alle Daten in das
  landeskirchlich vorgegebene Computerraster eintragen. Dabei muss nicht nur
  der Sanierungsbedarf eines Gebäudes benannt und dokumentiert werden, sondern
  es muss z.B. auch bei der Stadtverwaltung erhoben werden, was man mit jedem
  bebauten und unbebauten Gemeindegrundstück planungsrechtlich anfangen dürfe,
  wenn man die Gebäude abreißen würde. Egal, ob das nächste Woche geplant ist oder
  eher am St. Nimmerleinstag. Nur die Kosten fallen jetzt an: So z.B. ca.
  20 000 € bis 25 000 € für eine kleinere Gemeinde, die
  125 000 € Kirchensteuer im Jahr bekommt.

Ist es nicht naheliegend, als Ziel des Ganzen
  Folgendes zu sehen? Wenn das Kataster steht, kann man von oben mit Knopfdruck
  aus planen, welche Kirchen, welche Gemeindehäuser, welche Gebäude in einer
  Stadt oder einer ländlichen Region am besten zu erhalten seien und von
  welchen man sich trennen sollte. Die Interessen der Gemeinden selber spielen
  dabei keine Rolle mehr. Ihre Entscheidungskompetenz über die eigenen Gebäude
  liegt bald in anderen Händen: in der des  Kirchenkreises oder der des
  Landeskirchenamtes.

 Die Selbständigkeit:  Nun kann man
  natürlich nicht so ohne weiteres den Presbyterien und Gemeinden
  Verantwortung, Geld und Macht über das eigene Eigentum entziehen: Aber auch
  da gibt es Mittel und Wege: die Gemeinden gehen pleite.

 Man bestimmt z.B. von oben, was eine
  lebensfähige Gemeinde alles können, tun und leisten muss: Richtlinien über
  die Leistungsfähigkeit einer Gemeinde: Kann sie das nicht, wird sie sich wohl
  oder übel zusammenlegen lassen müssen.

 Dann werden die finanziellen
  Daumenschrauben angelegt: Die Substanzerhaltungspauschale. Man beruft sich
  darauf, dass es Gemeinden gibt, die ihre Bauunterhaltungsrücklage sträflich
  vernachlässigt haben (was sicher stimmt).  Deshalb werden alle
  kirchlichen Besitzer von Gebäuden verpflichtet, nach einem  bestimmten
  Schlüssel Rücklagen zurückzulegen. Landeskirche und Kirchenkreise können das
  leicht erfüllen, denn sie besorgen sich das benötigte Geld über die Umlage.
  Nur unten bei den Gemeinden kommt immer weniger an. Und so müsste die oben
  angeführte kleine Gemeinde von ihren 125 000 €
  Kirchensteuerzuweisung 88 000 € jährlich als
  Substanzerhaltungspauschale zurücklegen. Da das natürlich viele Gemeinden
  nicht können, hat man jetzt die Ausnahmeregelung geschaffen, dass man diese
  „Zwangsrückstellungen“ im Haushaltsplan als Fehlbetrag auf das nächste Jahr
  vortragen kann. Und beim Jahresabschluss, wenn die Zuführung an die
  Substanzerhaltungsrücklage auch tatsächlich nicht möglich ist, muss das
  Presbyterium beschlussmäßig zur Kenntnis nehmen und feststellen, dass es nicht
  in der Lage ist, seinen vorschriftsmäßigen (finanziellen) Verpflichtungen
  nachzukommen - sozusagen als Schulden, die man nicht begleichen kann. Fällt
  diese Ausnahmegenehmigung weg, würde das bedeuten:  Die Gemeinde ist
  pleite: Voller Schulden ist sie nicht mehr lebensfähig und kann aufgelöst,
  zusammengelegt, zwangsverwaltet etc. werden.

Dass es ernsthaft einen
  Verwaltungsverantwortlichen geben könnte, der die Substanzerhaltungspauschale
  für ein geeignetes Instrument für die Erhaltung der Substanz hält, ist
  eigentlich kaum vorstellbar. Jeder Laie, der sich damit beschäftigt, merkt
  schnell, dass das so nicht klappen kann. Also: Das Ziel muss ein ganz anderes
  sein. Welches? Ich weiß es nicht. Eine deutliche Konsequenz der
  Substanzerhaltungspauschale ist nur die Zerstörung der finanziellen
  Grundlagen der Gemeinden.

Nun habe ich als Gemeindepfarrer ja nur einen
  kleinen Durchblick und wenige Erfahrungen. In vieles bekomme ich keine
  Einsicht oder erst dann, wenn es zu spät ist:

Aber bei mir hat sich der Eindruck entwickelt,
  es gibt starke Kräfte in der Landeskirche, die die presbyteriale Struktur
  nachhaltig zerstören wollen zugunsten einer synodalen Struktur. Der
  Kirchenkreis, der Superintendent und der KSV werden in vielen Gesprächen als
  die zukünftigen Mächtigen in unserer Kirche gehandelt. Die Zeiten von
  Verantwortung und Kompetenz der Presbyterien und der Gemeinde ist damit
  vorbei. Es wird bald nur noch ganz wenig geben, was an Verantwortung in den
  Händen der Gemeinden liegt.

Entscheiden wird darüber die Landessynode: Und
  die Landessynode setzt sich vor allem aus den Superintendenten und den
  Abgeordneten aus den Kirchenkreisen zusammen: Das sind aber häufig Menschen,
  die auf der  Kirchenkreisebene eine wichtige Rolle spielen und denen
  deshalb das Vertrauen in eine gute Leitung durch den Kirchenkreis näher liegt
  als das Vertrauen in die Presbyterien.

Aber
  ist nicht der Kirchenkreis hoffnungslos überfordert mit solchen
  Leitungsaufgaben? Welches KSV- Mitglied kennt sich denn schon in den
  differenzierten Verhältnissen der einzelnen Gemeinden aus: In ihren Stärken
  und Schwächen, ihren Hoffnungen und Problemen? Wer kann denn wirklich die
  Entscheidungskompetenzen eines Ortspresbyteriums ersetzen? Und das dauerhaft
  und immer wieder? Nicht in einzelnen Konflikten, bei denen man sich
  Informationen von allen Seiten holen kann, sondern Woche für Woche, Monat für
  Monat. Und kann wirklich eine noch so effiziente Personalverwaltung durch das
  Landeskirchenamt in Zusammenarbeit mit dem KSV die bessere Entscheidung über
  den neuen Gemeindepfarrer treffen als das Presbyterium gemeinsam mit der
  Gemeinde? Völlig undenkbar! Hier werden keine Probleme gelöst, sondern neue
  geschaffen.

Mit der
  Zerstörung der Presbyterien untergraben Landessynode und Kirchenleitung das
  Fundament unserer Gemeinden. Leider hat sich in den letzten Jahren ziemlich
  unbemerkt die Grundtendenz durchgesetzt: Nicht Stärkung und Hilfe für die
  Presbyterien, um sie zu unterstützen, sondern Abschaffung der Presbyterien
  als Gemeindeleitung.

Vermutlich werden in wenigen Jahren die
  Presbyterien in den Gemeinden dieselbe belanglose Rolle spielen wie die
  Bezirksvertretungen in den Großstädten: Machtlose Gremien, die ein  paar
  tausend Euro dorthin verteilen können, wo sie ihren Kindergarten, eine
  Jugendgruppe oder eine Initiative unterstützen möchten: Vielleicht dürfen sie
  auch über die Farbe der Sitzkissen in der Kirche entscheiden. Nicht einmal
  auf eine Antwort der Verwaltung auf von ihnen gestellte Fragen können sich
  heute die Bezirksvertretungen verlassen. Kurz vor Beratungsschluss werden sie
  in Pläne eingeweiht: Mitspracherecht oder Mitwirkungsrecht haben sie so gut
  wie nicht.

 Und wer entscheidet wirklich? Zwei
  Antworten legen sich aus den Erfahrungen der politischen Kultur nahe:
  Entweder die Verwaltungen haben alles fest im Griff. Abgeordnete haben heute
  auf allen politischen Ebenen keine großen Einflussmöglichkeiten – warum
  sollte es dann den Presbytern, Kreissynodalen, Landessynodalen oder
  KSV-Mitgliedern in ähnlichen Situationen besser ergehen? Oder vielleicht wird
  in einzelnen Kirchenkreisen ein starker Superintendent das Zepter schwingen.
  Doch Superintendenten kommen und gehen: Aber die Verwaltung bleibt!

Wenn jedenfalls nur ein Teil der Dinge
  verwirklicht wird, die momentan durch die Landeskirche geistern, dann kann man
  nur sagen:

400 Jahre Presbyteriumskultur als
  Leitungsgremium der Gemeinden gehen zu Ende.    Presbyterium
  ade!

Ab Mitte Dezember 2010 oder kurz vor
  Weihnachten kann man unter www.ekir.de/ArbeitsfelderA-Z/Landessynode/Landessynode2011
  die Vorlagen für die Landessynode 2011 lesen. Dann wird man sehen können, wo
  landessynodale Entscheidungen die Zukunft des presbyterialen Akzentes unserer
  Kirchenordnung tangieren. Vielleicht helfen dann nur noch Gespräche mit den
  Abgeordneten vor der Landessynode, um die Vorteile der presbyterialen
  Gemeindeleitung deutlich zu machen.

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